Zum Advent

Einige Gedanken kurz vor dem Fest der Erlösung. Das Wort das Herrn erging an Johannes in der Wüste. Wüste heißt Offenheit, für Gott offen sein, für Ihn sich leer machen, ohne Ablenkung, ohne Vielerlei, ohne Wechsel der Erscheinung. „In die Wüste gehen“ heißt zu sich selbst gehen – der tiefste Sinn dessen, was das Wort „Wüstenväter“ beinhaltet.

Nach den großen, ekstatischen Martyrien, da die großen Bekenner sich hingaben dem Rachen der Löwen und den malmenden Zähnen der Bestien, dem Schwerte und dem Kreuz, schon hinübergehoben über alle Grenzen, als die Zeit der Verfolgung vorbei war, da brannte in den Herzen der Ergriffensten das Verlangen nach dem anderen Martyrium, jenseits der Erscheinungen zu leben, jenseits jeglicher Zerstreuung, jenseits des Irdischen schon den heißersehnten Liebestod vor dem körperlichen Hinscheiden zu erfahren. Darum gingen sie in die Wüste, um den Tod vorwegzunehmen, um schon jenseits des Jordan zu wohnen, wo Johannes taufte. So heißt es ja an anderer Stelle: „Dies aber geschah zu Bethanien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte“ – jenseits des Jordan: Eben drüben, am anderen Ufer in der Wüste, jenseits des Getriebes, jenseits von Gesellschaft und Geselligkeit, jenseits der vielen Worte, jenseits des Vielerlei, ins eine hineingehen, was not tut.

Denn „Buße“ heißt ja „Einerlei“. Da ist nur das eine und immer gleiche zu sehen: der gewölkte, flammende Himmel der Nacht, der ja in der thebaischen Wüste ganz besonders niedrig hängt – auch in der Wüste, in die der hl. Johannes der Täufer hineinging – und tagsüber der freie Himmel, unter dessen Dach ungeschützt, barhäuptig der einzelne sich dem Anspruch Gottes preisgab. Rechts und links war nichts zu finden. Weite Horizonte, aber sprachloser Sand, Armut des Geistes: das ist in der Wüste garantiert und mit der Wüste gemeint und gesichert. Die Wüste ist gleichsam ein wirksames Sinnbild, ein sakramentales Zeichen für die Armut des Geistes. Weit ausgespannt, Sand, gleiche Farbe.

Und da ergeht das Wort des Herrn an dich, in deiner Einsamkeit. Einsamkeit und Wüste ist dasselbe. Wenn du das Wort des Herrn an dich vernehmen willst, also dein Wort hören willst, dein Dasein – Dein Sein ist ja das Wort des Herrn. Du bist ja identisch mit Ihm, also Sein Wort. Im tiefsten ist mit dem Gleichnis vom Samen, der in die Erde fällt und stirbt, um Frucht zu bringen, gemeint der Mensch. Jeder Mensch ist Wort, ist Gedanke Gottes. Und dieses Wort fällt in die Erde. Aber die Erde ist Gott, die gepflügte Erde Christus, der Zermalmte, Geschlagene, Zerschundene und Zerfurchte, der Sich öffnet, weit auftut als blutende Wunde, damit der Mensch, der Same, das Gotteswort hineinfallen kann, um Frucht zu bringen für und für. Der Mensch ist Wort Gottes. Aber das, was er selber ist, vernimmt er, wenn er sich fallenläßt in die gute Erde, in Christus.

Und dieses Sich-Fallenlassen in die gute Erde geschieht eben in der Einsamkeit. Ob es eine Zelle ist zwischen vier kahlen Wänden, oder wo es auch sein mag: dort erfährst du dich als Sein Wort und weißt: „Ich bin Wort des Herrn und habe eine Sendung.“ Aber das, was ich bin, muß ich hören von dem, der in meine Stille hineinspricht. Denn ich bin nicht allein – im üblichen Sinne des Wortes – Er ist immer dabei. Je einsamer ich bin, um so weniger bin ich es im Grunde; denn da ist der Andere am Zug, der Eine und Einzige, der meine Einsamkeit durchbricht, der mich wahrhaft Verstehende, der durch alle Krusten und Schalen, Verstellungen und Verfälschungen Hindurchschauende, Hindurchschreitende, Hindurchbrechende, der in meine Innenmitte hineinstößt, um sie herauszuwecken aus den Verwicklungen der Zufälle. Damit ich ganz zu mir selbst komme, muß Er kommen; denn Er ist mein wahres ICH. Und dort, wo ich ganz ICH bin, dort mündet mein Dasein ins ewige Sein, in den Gedanken, den Gott von mir denkt, dort wo Gott mich ausspricht und meine Bestimmung sagt.

Das ist heute so selten geworden, so unsagbar selten, so bedrohlich, so schicksalhaft selten. Diese Seltenheit hängt über uns wie ein Damoklesschwert, zum Mord bereit und zur Zerstörung. Denn diese Seltenheit ist Satans Waffe Ganz sehen geschieht es, daß einer zu sich selber kommt, damit das Wort des Herrn an ihn ergeht in der Wüste.

Wüste kann auch anders verstanden werden, in einem ganz negativen Sinne: im Sinne von Zerstörung, im Sinne von Einebnung und Gleichmacherei. Wüste im negativen Sinne des Wortes, im Sinne von Verwüstung ist dort gegeben, wo der einzelne nicht mehr er selber ist, sondern ein X oder ein Y, selber ein Zufall, irgendeiner unter anderen, neben anderen, mit anderen, wie andere behandelt wird, alle sind gleich. Dort ist Wüste im Sinne von Verwüstung. Die freilich wuchert. Die breitet sich aus. „Die Wüste wächst“, sagt Nietzsche. „Wehe dem, der Wüsten birgt.“ Das ist die böse Wüste. „Wehe dem, der Wüsten birgt“ – der in sich selber die Verwüstung und die Einebnung, die Planierung duldet und als angenehm empfindet, irgendeiner unter anderen zu sein, mit anderen. „Ich will kein Besonderer, kein Einmaliger sein, sondern ich will einer neben anderen sein“, wie es in dem Nazilied heißt: „Einer steht dem anderen bei – neben.“ – Das ist sehr anspruchslos.

Die Anspruchslosigkeit ans eigene Dasein, die Anspruchslosigkeit an die eigene Unverwechselbarkeit, die Anspruchslosigkeit, was die Bedeutung, Wert und Sinn des eigenen Lebens angeht, die breitet sich aus. Es herrscht ein dumpfer, tierischer Anspruch an das, was diese Welt an Genüssen bietet. So sackt der Mensch ab ins Zufällige, ins Vielerlei. Da ist sehr viel Abwechslung. Da ist geradezu eine Abwechslungssucht. Sie findet ihren extremen symbolischen Ausdruck in dem flimmernden, wechselnden Licht – beispielsweise in Diskotheken. Selbst wenn das Licht das gleiche bleibt, kann es schon weithin nicht mehr ertragen werden. Ununterbrochen muß Wechsel geschehen. Aber dieser Wechsel, dieses Varieté, diese Summe von sich ablösenden Zufällen bestätigt nicht etwa die Besonderheit, sondern wirkt das Einerlei.

Genauso wie die zufälligen Erscheinungen immer beschleunigter hervortreten, wie sie in geometrischer Reihe sich türmen und aufstülpen und aufdrängen, Zufall um Zufall. Und jeder einzelne Zufall gleicht dem anderen, wie ein Ei dem anderen gleicht. Nur das ganz Äußerliche, Nichtssagende steht im Zeichen des Wechsels. Je mehr die Bilder einander ablösen und auf ihn einstürmen, um so entleerter wird der einzelne, um so mehr wird er zum Serienfabrikat, zum Verbraucher. Aber der Mensch, der ein Verbraucher ist, angelockt von äußeren Angeboten, voller Anspruch an äußere Angebote, der Verbrauchermensch wird selbst zur Verbrauchermarke, zur Ware. Er wird selber verbraucht. Der Verbrauchende läßt sich verbrauchen. Das ist das Kennzeichen des heutigen Menschen dieser Gesellschaft mitten im Schwall von Krebswucherungen. Und diese Gesellschaft ist selber eine einzige Krebswucherung.

Und wer aus diesem Vielerlei, aus diesem sinnlos girrenden und flirrenden, süchtigmachenden Anspruch, faden, dumpfen Anspruch weckenden Vielerlei der Sucht herausstrebt und in die gute Wüste geht, in seine Wüste, in seine Einsamkeit, der Ablenkung entronnen, der wird wesentlich und vernimmt das Wort des Herrn in der Wüste.

Und dann kommt das Wort von der „Bußtaufe, zur Vergebung der Sünden“. Taufe, die der hl. Johannes der Täufer vollzieht, ist nichts anderes als das Zeichen, daß der Mensch einsieht: „Ich bedarf des Herrn zur Vergebung meiner Sünden.“ Bußtaufe zur Vergebung der Sünden, wie Johannes sie vornimmt, heißt nicht etwa: „Jetzt fang an, und hör auf mit deinen Sünden! Jetzt recke dich auf, und setze dich in Marsch hin zum Herrn!“, sondern genau das Gegenteil: „Sieh ein, daß du nichts vermagst. Tue Buße, kehre um, und laß Ihn kommen! Bereite nicht deinen Weg, sondern Seinen Weg.“

Einzusehen, daß es Sein Weg ist, daß Er kommen muß: das ist die Umkehr, die der hl. Johannes verlangt. „Kehre um vom Wahn, du könntest vor Gott bestehen! Wende dich ab von der Illusion, es läge an deinen Werken, zurechtzukommen und zu bestehen im Gericht! Sieh endlich ein, daß du nichts vermagst, daß du ein Nichts bist! Öffne dich! Gewinne die Armut des Geistes und sag das bräutliche Wort, das erlösende Wort: „Komm! Herr, komm!“, eben das adventliche Wort. Bekehre dich zu deinem Advent!“ Und dein Advent heißt Erwartung. Und der Ankommende ist Er – nicht wie es heute heißt: Das pilgernde Gottesvolk hin zur Wahrheit. Das ist das Antichristliche. Das Christliche heißt: Ihn erwarten. Er muß kommen.

Das heißt „Seinen Weg bereiten“. Und auch dies geschieht eben, wenn der einzelne den Zufällen entflieht und hineingeht in jene Freiheit, die Gott Raum läßt, damit Er zu Wort kommt: „Herr, sprich Dein Wort! Ich will Dich zu Wort kommen und ich will Dich kommen lassen. Sei Du es! Mach Du es! Übernimm Du mich! Gewinn Du Herrschaft über mein ganzes Dasein! Erobere mich! Brich ein! Reiß mich an Dich und in Dich hinein! Sei Du der, der nach mir greift! Hier bin ich. Ich bin bereit. Herr, komm! Du mußt kommen, wenn anders ich nicht zugrunde gehen soll. Komm aus Deiner Freiheit!“ Und Er kommt, nicht weil wir rufen und schreien „Komm!“, sondern weil Er kommen will. Aber wer den Ruf „Komm, Herr!“ aus seinem Innersten herausgestoßen hat, der wird Ihn empfangen. Gott kommt nicht, weil Er weiß, daß Er empfangen wird. Er kommt, weil Er kommen will. Aber Er wird von dem empfangen, der will, daß Er kommt.

Und dieses adventliche „Komm!“, eben jene Bußtat, jene Umwendung: „Halt ein! Hör endlich auf zu gehen!“, wenn du dich in Marsch setzt von Ihm weg, „Bleib stehen, um Seine Nähe zu erfahren! Herr, komm!“, und diese Bußtat des Restes im Menschen, der da schreit „Komm!“, diese Geistestat des „Komm, o Herr!“ vollendet sich in Maria.

„Ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach Deinem Wort!“ Das ist der adventliche Aufruf, der an jeden Einzelnen ergeht: „Bekehre dich endlich zu dir selber, denn der Herr will zu dir selber kommen!“ Laß Ihn kommen. Und wenn du Ihn kommen läßt, findest du dich in Ihm und in Seinem Wort den Sinn deines Daseins und deines Seins. Und du selbst wirst dann ein Wort, das wiegt, hineingesprochen in die Verwüstung unserer Tage, in die Vielfalt der Wörter. In die Milliarden Überflüssigkeiten hinein kommt plötzlich ein Gewicht. Wenn auch nur einer sich erhebt und dann mit dem Gewicht Gottes auftritt und aufsteht, vielleicht im Verborgenen, dann werden Katastrophen abgewendet; und ganze Völker werden gerettet, wenn irgendwo einzelne Gewicht gewinnen. Wie wär“s, wenn du zu den ganz wenigen Einzelnen dich zählen könntest, auf die Gott zählen kann, weil Er bei ihnen zu landen vermag.

Pfarrer Hans Milch

Rahmen oder Bild

Zu einem schönen Bild gehört ein schöner Rahmen, damit das Bild um so besser zur Geltung kommt. Was aber, wenn man dem Rahmen so viel Aufmerksamkeit schenkt, dass man das Bild gar nicht mehr beachtet und es schließlich sogar ganz vergisst und verliert? Wäre das nicht traurig?

Ist das Weihnachtsfest Rahmen, oder ist es Bild?

Worauf es im Advent ankommt, ist, dass die Liebe Gottes sichtbar in die Welt gekommen ist und als Mensch geboren wurde. Die Geburt Jesu Christi ist das bedeutsamste Ereignis der Weltgeschichte. Leider haben dies viele Menschen vergessen.

Ein Advent und ein Weihnachtfest, bei dem nicht Jesus wirklich im Mittelpunkt steht, ist wie ein Rahmen ohne Bild, traurig und leer. Ist es nicht genau das, was viele Menschen heute empfinden? Advent als sinnleerer Einkaufsmarathon, gespickt mit Kalorienbomben und Glitzerkitsch: – Und das ist da nicht ganz tief in uns eine Sehnsucht nach mehr?

Was bedeutet Advent?

Das Wort ‚Advent’ bedeutet ‚Ankunft’. Mit dem ersten Adventssonntag (und nicht schon mitten im Oktober) beginnt diese wunderbare Zeit.

Der Advent will helfen, dass wir uns gut vorbereiten auf Jesus.

Keine Zeit im Jahr ist so dunkel wie der Advent. Er ist die Zeit der längsten Nächte und der kürzesten Tage. Deshalb ist der Advent die Zeit der Sehnsucht nach dem Licht.

Zu Weihnachten ist die Sonnenwende, dann werden die Tage wieder länger. Mit dem Weihnachtsfest besiegt das Licht die Finsternis.

Jesus ist das wahre Licht der Welt!

Aus ‚Ein Geschenk des Himmels‘,
von Pater Martin Ramm FSSP und Michael & Dorothea Hageböck
Bezugsadresse