Nach einem Vortrag von Johannes Hartl 2018
Stellt euch vor, es gäbe ein Land, in dem alle Menschen arm sind. Ein guter König hätte einen Sack mit sehr kostbaren Münzen ausgeteilt und bereits eine solche Münze würde einen Menschen komplett reich machen können. Der König ist so großzügig, dass er diese Münzen freigiebig austeilt. Und stellt euch vor, der gleiche König hätte einen Gegenspieler, der nicht will, dass die armen Leute diese echten Münzen bekommen und reich werden. Deswegen produziert er Plastikmünzen, die gar nichts wert sind, aber den echten Münzen sehr ähnlich sehen. Von jenen produziert er noch viel mehr und streut sie unters Volk. Was würde passieren?
Die armen Leute sind an die Wirkungslosigkeit der Münzen gewöhnt: Sie kennen diese Münzen, die nichts wert sind und nichts verändern können. Es würde bewirken, dass ein armer Mensch, der eine echte Münze angeboten bekommt, diese nicht von den falschen unterscheiden kann und daher den Schatz, den er in den Händen hält, nicht erkennt. In Europa — überhaupt im Westen — sagen die Menschen, dass sie das Christentum kennen. Alle Leute haben schon irgendetwas von Jesus gehört. Die Frage ist nur: WAS haben sie gehört?
Charles Taylor, ein Religionsphilosoph, stellt eine ganz simple Frage: „Warum war es in unserer abendländischen Gesellschaft beispielsweise im Jahre 1.500 praktisch unmöglich, nicht an Gott zu glauben, während es im Jahre 2000 vielen von uns nicht nur leichtfällt, sondern geradezu unumgänglich vorkommt?“ Was hat sich getan in diesen 500 Jahren? Taylors These ist folgende: Im Hochmittelalter er» eignete sich eine Verschiebung. Das Christentum im ersten Jahrtausend war vor allem gekennzeichnet von heiligen Festen, Wallfahrten, etwas Mystischem, Klöstern und Mönchen. Im Hochmittelalter vollzog sich langsam eine Veränderung zur christlichen Tugend hin. Es erwuchs der Anspruch, dass sich alle Menschen gut und christlich verhalten sollten. Eine gute Sache. Was aber im 17. und 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung, passierte, war eine Bewegung hin zur Unabhängigkeit von Gott. Es breitete sich die Haltung aus, dass „sich gut zu benehmen“ und „gute Menschen zu sein“ wichtige Punkte sind, die aber auch ohne Gott klappen.
Tatsächlich ist das bis heute die Meinung vieler Menschen, was es heißt ein Christ zu sein: Ein Christ zu sein bedeutet „Ich bin ein guter Mensch.“ Das ist deutlich daran zu erkennen, dass Leute meinen, es gäbe Menschen, die nicht an Gott glauben, aber viel christlicher handeln würden als einer, der an Gott glaubt, der sich aber nicht um seine Mitmenschen schert, die Umwelt verpestet oder intolerant ist. Es sei keine Frage von Glauben, ob jemand ein guter Mensch ist oder nicht. Dieser Satz „Ich bin ein guter Mensch“ aber ist die falsche Silbermünze. Das Fake- Evangelium. Die Fälschung. Nun, wenn das die Fälschung ist, was ist das Original?
Was ist das Evangelium? Im ersten Jahrhundert gab es eine Botschaft, über die gesagt wird: „Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?“ Im ersten Jahrhundert gab es eine Botschaft, welche die Welt durcheilte. Mit einer Geschwindigkeit, die das ganze römische Weltreich von innen heraus durchbohrt hat im Laufe von wenigen Jahrzehnten. Ohne politische Macht, ohne Geld, ohne Waffengewalt. Einfach nur durch diese Kraft des Evangeliums. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie dieser Satz begründet werden kann. Entweder aus einer Haltung heraus, dass sowieso alle Menschen gut sind: „Es gibt aus“ schließlich gute Menschen. Du bist okay, ich bin auch okay und falls es einen Himmel gibt, sehen wir uns am Schluss alle wieder dort. Und überhaupt, wer bin ich denn, jemandem zu sagen, was gut und falsch ist. Für den einen ist das gut und für den anderen ist das andere gut. Jeder soll mal so machen, wie er will.” Für diese Sicht gibt es einen Fachbegriff: den Relativismus.
Die andere Möglichkeit, den obigen Satz zu verteidigen, ist: „Es gibt Gut und Böse wirklich, aber ich bin einer von den guten Menschen, weil ich keiner von den Bösen bin. Weil ich kein Terrorist bin, noch nie jemanden vergewaltigt habe, keine Leute umbringe, das Klima nicht verpeste. Ich bin ein guter Mensch, weil ich mich anstrenge, gut zu leben, weil ich mich weiterbilde, weil ich nicht alles glaube, was mir jemand erzählt, weil ich tolerant bin, weil ich viel bete.“ Diese Sicht nennt man Moralismus. Es ist übrigens ganz egal, ob das jemand mit Gott macht oder nicht. Es funktioniert in beiden Fällen. Was ist nun aber das Problem an Relativismus und Moralismus und was ist überhaupt das Problem an „Ich bin ein guter Mensch“?
Jeder Mensch hat ein Gutsein- Konto mit den Dingen, auf die er stolz ist: sich für Mitmenschen einsetzen, nicht lügen, etwas spenden, Jedes dieser Dinge kann man mit einem kleinen goldenen Stein versinnbildlichen. Alle Steine zusammen ergeben die goldene Gutsein- Mauer eines jeden Menschen. Wenn ich meine, ein guter Mensch zu sein, weil ich immerhin nicht so schlecht wie der andere bin, lebt diese meine Einstellung aber letztendlich immer ein Stück weit von der Verachtung anderer. Wenn ich zu den Guten gehöre, dann ist die Frage, wer denn die Nicht- Guten sind. Ich brauche irgendwelche anderen: die Terroristen, die Nazis, die Ungläubigen, All das funktioniert mit und ohne Religion. Die moralistische Einstellung geht auch fast nie ohne einen Hauch von Stolz einher. All die guten Sachen meines Gutsein- Kontos kann ich komplett aus Stolz machen. Jede gute Tat der Welt kann ich tun, einfach nur, um mein Selbstbewusstsein „Ich bin ein guter Mensch“ zu bauen. Der Gute, der so stolz ist auf seine Gutheit und die anderen so sehr verachtet. Lasst uns genauer hinschauen, was das Problem dieser Stolz- Sache ist. Stolz impliziert, dass ich das, was ich habe, das was ich bin, aus mir selbst habe.
Paulus sagt: „Denn wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ Kann ich also beispielsweise stolz darauf sein, ein ruhiger Mensch zu sein, mich nicht provozieren zu lassen? Habe ich meinen Charakter etwa selber produziert? Habe ich meine Gene aus mir selbst? Oder habe ich meine Erziehung, habe ich die Tatsache, dass ich in dem Land geboren bin, in dem ich nun mal geboren bin, aus mir selbst? Kann ich darauf stolz sein, kann ich mir das auf mein Guthabenkonto schreiben? Die Antwort ist nein. Wir haben praktisch alles empfangen und wir sind ständig in der Tendenz, das zu vergessen. Und genau dieser Art, genau dieser Kategorie ist die Analyse des Evangeliums: dass das die Mitte unseres Problems ist.
Das Evangelium sagt nicht, dass es schlecht ist, wenn ein Mensch etwas Gutes tut. Natürlich nicht. Das Evangelium sagt nur: In allem, was Menschen tun, all ihrer menschlichen Gutheit haftet ein „Geschmäckle“ an, das nicht ausschließlich gut ist. Dieses beeinträchtigt erstens die Beziehung zu Gott, aber im weiteren Verlauf auch immer zweitens die Beziehung zum Mitmenschen. Unsere goldenen Steine der Gutsein-Mauer haben eine nicht glänzende Rückseite. Zum Beispiel besitzt jemand, der sagt, ich bin gut, fast immer eine gewisse Portion Selbstgerechtigkeit. Aus einer „Ich bin einer von den Richtigen Haltung ergibt sich etwas extrem Gefährliches, nämlich Unkorrigierbarkeit. Diese ist der schlimmste Beziehungskiller. Eine Ehe, in der beide der Meinung sind, dass sie gute Menschen seien, geht bald in die Brüche.
All diese scheinbare Gutheit wirkt nämlich Folgen: Sie baut eine Mauer. Und zwar eine Mauer, die aus Enge und Regeln besteht, weil man ja ein guter Mensch sein muss; die aus Besserwisserei und Kontrolle besteht. Was man alles einhalten muss, sonst ist man nämlich keiner mehr von den Guten. Und davor haben wir alle Angst. Denn weißt du, was auf der Rückseite dieser Selbsterlösung, dieser Haltung, dass ich durch mein eigenes Gutsein alles retten könne, steht? Selbstverdammnis: „Wehe du schaffst es nicht, gut zu sein, dann…“ Wenn das Gutsein mein Selbstbild ist, dann bleibt mir nur noch die Verzweiflung, wenn ich einmal nicht gut bin, wenn ich einmal versage. Deswegen werde ich nach außen kalt, überheblich und stolz und Verachtung prägt mein Leben. Ich werde Sündern gegenüber verurteilend sein. So entsteht eine Mauer aus Selbstgerechtigkeit, aus nie gut genug usw. Wir verstehen dabei jedoch eines nicht: nämlich, dass wir diese Mauer für etwas brauchen. Für was?
Jeder von uns hat ein Herz und wenn wir ganz ehrlich sind, ist dieses Herz nicht so wahnsinnig anatomisch schön, sondern es gibt einen ekligen, schwarzen, klebrigen, gummiähnlichen Schleim, der unser Herz umhüllt das Herz jedes Menschen. Und zwar in so einer Stärke, dass egal, was ich versuche, um das wegzubekommen, ich mich immer wieder selbst damit beflecke, weil all das, was hinter der Mauer ist, stets mitschwingt. Dahin zu schauen scheint aber extrem bedrohlich für uns zu sein. Deswegen brauchen wir die Mauer, um unser eigenes Herz zu schützen. Wir verstecken unser Herz hinter dieser Mauer. Hinter dieser schönen, golden aussehen“ den Mauer. Sie sieht auf den ersten Blick toll aus. Das heißt, das stimmt nicht ganz: Manchmal leuchtet der Stolz schon ein bisschen durch, vielleicht auch die Selbstgerechtigkeit oder die Verachtung Es zeigt sich ja nie alles auf einmal. Es wird sich alles erst einmal zeigen, wenn wir wirklich vor dem Herrn stehen und er Wahrheit von Lüge scheidet.
Um das nun klar zu sagen: Das „Ich bin ein guter Mensch“ ist absolut kein bisschen die Botschaft des Christentums. Es ist nicht das Evangelium. Manchmal wird gepredigt, dass Christentum heiße: „Jesus hat uns ein Vorbild gegeben, dass wir jetzt auch unsere Mitmenschen lieben sollen. Die Sache Jesu braucht nämlich Begeisterte.“ Oder: „Gott liebt die Welt, deswegen setzen wir uns auch für die Bewahrung der Schöpfung ein.“ Nichts gegen die Bewahrung der Schöpfung, aber das ist nicht das Evangelium. Das ist immer noch das gleiche Spiel von „Ich bin ein guter Mensch, indem ich mich anstrenge”. Aber wir steigen nicht auf einer Stufenleiter von Gutheit in den Himmel. Es ging komplett andersherum: Da kam jemand von oben nach unten! Und genau das ist das Evangelium!
Kurze Zusammenfassung der Folgen des Moralismus: Da bleibt diese Mauer, da bleibt etwas im Herzen, wo wir nicht rankommen. Wenn wir nun nicht mehr an den Moralismus glauben, sondern einsehen, dass bei unseren Versuchen, gut zu sein, noch immer riesengroße blinde Flecken bleiben, dann hilft uns der in der Gesellschaft weit verbreitete Relativismus weiter. Dazu ein Beispiel: Zwei Kinder streiten und das eine Kind sagt: „Ich habe Dir von meinen Bonbons zwei gegeben und du hast mir nur eins gegeben.“ Es gibt ein Gesetz in uns, das besagt, dass das nicht fair sei. Dieses Gesetz haben Leute in sich, ob sie an Gott glauben oder nicht. Wie die Gesetze genau aussehen, das kann unterschiedlich sein.
Es gibt aber keine Kultur der Welt, die beispielsweise „betrügen“ gut findet. Jeder Mensch widerspricht dem intuitiv. Es gibt also ein Gesetz in unserem Inneren, welches sich ziemlich radikal von sonstigen Gesetzen, wie z.B. Naturgesetzen unterscheidet. Gravitation z.B.: Wenn der Stift fallen gelassen wird, fallt er zu Boden. Gilt die Gravitation immer? Ja. Und das Gesetz in uns selber drin? Das ist ein bisschen anders, weil wir uns daran manchmal halten und manchmal nicht. Jeder Mensch kennt das. Jeder Mensch wenn er sich trauen würde, tief in sich hineinzuhorchen würde zu dem Schluss kommen, dass er eigentlich anders leben könnte und doch nicht ausschließlich gut ist. Wir schauen aber ungern auf unser Herz und unsere Schuld. Deswegen muss uns jemand helfen.
Einer, der uns dabei hilft, nämlich besonders den Relativierern, ist der Schönredner: „Ist alles nicht so schlimm. Die einen machen es so, die anderen machen es so.“ Das Problem ist, dass das der Schuld komplett egal ist; die bleibt nämlich. In der Moderne haben die Leute kein Schuldgefühl mehr gegenüber Gott. Es drängt sie nicht in den Beichtstuhl, sondern sie bekommen eine sonstige psychische Krise. Man hat Bundeswehrsoldaten quer durch alle Armeen untersucht, wie sie darauf reagieren, wenn sie etwas ganz Schlimmes erlebt haben. Einerseits gibt es die posttraumatische Belastungsstörung: jemand kann nicht mehr schlafen und leidet unter Panikattacken, weil er etwas Schlimmes gesehen hat. Andererseits gibt es – und zwar nur dann, wenn sie selber schuldig geworden sind – die sogenannte moral injury (moralische Verletzung). Ein Klein- oder Schönreden im Sinne von „Du konntest nicht anders, er hat doch zuerst geschossen“ oder „Du konntest nicht sehen, dass deine Kugel auch ein kleines Kind treffen kann. Werde Deine Gefühle los, das war nicht so schlimm“ funktioniert jedoch nicht. Die meisten Soldaten, die schwere moral injury haben, bringen sich letztlich um, weil etwas in uns sagt: „Lieber sterben als so zu leben.“
Es gibt jene, die behaupten, dass auch Gott das nicht so genau nimmt und uns am Schluss alle in den Himmel lässt. Das ist noch immer diese gleiche Strategie des Schönredens. Psychologen haben das untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Beziehung nie wieder heilen wird, wenn jemand seine Schuld schönredet. Was passiert, wenn jemand, der was Schlimmes getan hat, seine Schuld schönredet und keine echte Reue, keine echte Versöhnung zeigt? Sein Herz versteinert sich weiter. Das ist, was bei Narzissten passiert. Menschen, die von sich sagten „Ich bin ein Guter und mir kann keiner was”. Sie werden immer kälter und verbohren sich immer mehr in ihre Wand. Mit ihnen hält es keiner aus. Denn hinter dem Schönredner ist nichts anderes als ein billiger Lügner.
Aber schonungslos auf die eigene Schuld zuschauen, fühlt sich entsetzlich an und zwar, weil auf einmal jemand anderer auftritt. Nicht nur der Lügner, sondern“ viel schlimmer die Stimme des Anklägers und dahinter versteckt“ die des inneren Zerstörers: „Du freust dich grad ein bisschen? Du darfst dich nicht freuen, denn wer bist du denn? Du bist gar nichts!“ Wer auf diese Stimme hört, wählt den Tod. Weil wir Menschen das wissen, ist es leichter, alles schön zu reden, wegzuleugnen oder sich hinter der Mauer zu verstecken. Das Christentum sagt zwar, dass der Ankläger und der innere Zerstörer nicht Recht haben, aber das Christentum gibt uns nicht diesen platten, naiven Optimismus, dass alle Menschen gut sind. Der Mensch aus sich selber heraus ist nicht gut. Das Christentum teilt mit dem Moralismus eine extrem pessimistische Einschätzung des Menschen.
Das jedoch ist lediglich ein Teil der Botschaft. Es gibt einen zweiten Teil der Botschaft, weil jetzt der Ankläger kommt. So viele Menschen denken, Gott sei der Ankläger. Dann hören sie auf einmal das Evangelium und sind fast sprachlos. Paulus sagt über Gott, dass er nicht der Ankläger ist, sondern „er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben. Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer kann die Auserwählten Gottes anklagen? Gott ist es, der gerecht macht […]“ Gott ist also nicht der Ankläger, sondern derjenige, der dich rechtspricht. „Wer kann sie verurteilen? Christus Jesus, der gestorben ist, mehr noch, der auferweckt worden ist, er sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein.“
Wie findet einer, der Schuld auf sich geladen hat, wieder Seelenfrieden? Psychologen haben erforscht: nur durch reale Versöhnung mit dem Gegenüber. Und was braucht es für eine echte Versöhnung? Drei Dinge. Erstens eine ehrliche Schuldübernahme. Der Täter muss die Verantwortung übernehmen und dazu stehen. Zweitens muss das Opfer seinen Schmerz fühlen. Das ist nicht bloß etwas Mentales. Eine echte Versöhnung gibt es nur, wenn eine Übernahme von Verantwortung da ist und ein empathisches „Ich spüre das Gewicht der Tat“. Das dritte ist dann ein realer Ausgleich. Es reicht nicht, dass der Täter beteuert, es passiere nie wieder. Wenn ich ein Auto, das 40.000 EUR gekostet hat, zu Schrott gefahren habe, muss ich irgendeinen Schritt setzen, der zeigt, dass ich die Versöhnung ernst meine.
Das ist schwer genug zwischen zwei Menschen. Wenn das nun aber die Wahrheit wäre? Stell dir vor, es gäbe jemanden, der dir ALLES geschenkt hätte. Wie gesagt, jedes Molekül Sauerstoff, das du je eingeatmet hast; jede positive Eigenschaft, die du hast; alles Positive, was es in deinem Erbgut gibt; alles, was du durch deine Erziehung oder dadurch, dass du in diesem Land aufgewachsen bist, mitbekommen hast. Du hättest es alles verdankt und du hättest so oft mit Überheblichkeit, Stolz und was auch immer es noch auf dem Konto in deinem Leben gibt, reagiert. Wenn weiter zwischen Opfer und Täter nur dann ein wahrer Ausgleich stattfinden könnte, wenn einer voll Verantwortung übernimmt, die Schwere dieser Schuld wirklich spürt und wirklich etwas entgegen— setzen kann. Wer sollte das tun können? Wer könnte sagen, dass er Gott gegenüber die volle Verantwortung für seinen Mist übernehme?
Wer könnte die volle Konsequenz tragen und etwas Reales “dagegensetzen, damit hier wieder Versöhnung entsteht? Wer hätte diesen Anspruch? Die unvorstellbare, die unglaubliche Botschaft der Bibel ist, dass das tatsächlich real nicht möglich ist, dass das aber tatsächlich real am Kreuz passiert ist. Denn um diese Versöhnung herzustellen, bedurfte es einen, der stark genug ist, all dieses Zeug aller Menschen der Welt zu tragen: Seht das Lamm-Gottes, es trägt die Last der ganzen Welt. Es bedurfte einen, der gleichzeitig mächtig genug ist, da durchzubrechen, etwas entgegenzusetzen und so für uns Menschen Wiedergutmachung zu erlangen. Das Problem ist: Beim Täter-Opfer-Ausgleich muss von beiden Seiten etwas kommen. Aber was sollte von uns Menschen kommen? Das müsste ja ein Mensch sein, der alles kann. Und genau das ist passiert!
Gott ist Mensch geworden und hat an unserer Stelle etwas getan, was kein Mensch kann, nämlich die komplette Verantwortung übernommen. Er war der komplette Büßer, er war der Vollkommene, der Umkehrende. Das ist die Bedeutung dieses unglaublichen, Staunens reichen und herrlichen Geschehens, das wir das Kreuz Jesu nennen. Das Kreuz Jesu hat zwei Botschaften. Eine ist erfreulicher, die andere ist ein bisschen schockierender. Und diese lautet: Sünde durchbohrt den besten aller Menschen. Wir können das Kreuz nicht verstehen, ohne zu wissen, dass der Relativismus Lüge ist. Die Wahrheit ist: Du blickst aufs Kreuz und siehst, dass du so verloren wärst. Das ist das, was Sünde tut. Ohne Kleinreden, ohne Schönreden. Und gleichzeitig – um eine Wiederherstellung zu erlangen – müsste noch etwas passieren.
Das erste, was das Kreuz macht, ist, dass es diese Mauer von Gutsein zerbricht. Das zweite ist, dass das Kreuz sagt: „Aber weißt Du was? Der Ankläger, hinter dem sich der Zerstörer versteckt, hat hier am Kreuz sein Werk getan und seither tut er sein Werk nirgendwo mehr.“ So geschah durch dieses Geschehen am Kreuz etwas, was kein Mensch je gekonnt hätte. So schreibt Paulus: „Jetzt also gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes. Denn weil das Gesetz, ohnmächtig durch das Fleisch, nichts vermochte, sandte Gott seinen Sohn.“
Das ist das Evangelium: So verloren wärst du und gleichzeitig so geliebt bist du. Der Moralist hat ein bisschen Recht: Es gibt die Bösen nur wir alle sind es. Und der Relativist hat auch ein bisschen Recht: Es gibt schon etwas Wunderbares aber wir sind nicht alle wunderbar. Das Christentum sagt: Seht her auf das, was Gott getan hat. Paulus ruft es raus: „Denn ihr habt „nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; Erben Gottes.“ Diese Botschaft durchdringt die Herzen der Menschen seit 2000 Jahren. Und diese Botschaft des Evangeliums ist das einzige, was alles neu macht. Nicht die Plastikmünze, sondern diese Botschaft. Die alte, ewig neue, immer umkämpfte, stets angegriffene Botschaft des Evangeliums sie macht alles neu.
Der alte Kirchenlehrer Tertulian sagte: „So wie Jesus zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde, so wird jede Wahrheit zwischen zwei Häresien gekreuzigt.” Neben dem Evangelium gibt es zwei Irrlehren. Die eine sagt, dass alle Menschen gut sind, alle Religionen das gleiche sagen, wir alle in den Himmel kommen, weil wir so brav sind. Und die andere besagt: Nur wenn du dich genug anstrengst, wenn du viel betest, wenn du gute Werke tust, wenn du dich für die gute Sache einsetzt, dann und beides sind Plastikmünzen.
Das allerbeste ist, dass das noch nicht das Ende des Liedes ist. Paulus fährt nämlich fort und schreibt, dass das, was hier passiert, nämlich dass das Evangelium alles neu macht, nicht hier stehen bleibt, sondern noch weiter geht und die ganze Schöpfung betrifft. Er sagt: „Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin: Denn auch sie, die Schöpfung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ Das bedeutet, dass ein Tag kommen wird, an dem das, was in deinem Herzen anfängt, das, was im Herzen jedes echten Hörers des Evangeliums anfängt, die ganze Schöpfung vollenden wird. Nun darf das nicht falsch verstanden werden. Wenn wir uns anstrengen, ist nichts Falsches daran. Wenn wir aber unser Herz aus eigener Kraft zum guten Herzen verbiegen wollen, kommen verbogene Menschen raus.
Es gibt keine guten Menschen. Es gibt lediglich normale Sünder, die unendlich mehr Böses tun könnten, wenn sie mehr Gelegenheit dazu hätten. C.S. Lewis schreibt an einer Stelle: „Man merkt erst, zu wieviel Bösen man fähig ist, wenn man mal wirklich versucht, richtig gut zu sein.“ Die wenigsten Menschen versuchen, wirklich gut zu sein. Es gibt nur normale durchschnittliche Sünder, die zu ganz schön viel Mist fähig sind. Und es gibt nur normale, durchschnittliche Sünder, die tausendfach unendlich mehr geliebt und angenommen und verherrlicht sind, als sie je erahnen können. Das ist die beste Botschaft des Universums. Das ist das Evangelium. Ich will dafür werben. Ich will werben für eine Neuentdeckung dieser alten einfachen Botschaft. Und ich möchte sagen: Auch wenn Du meinst, Du kennst es schon, Du hast es schon oft gehört, vielleicht hast Du‘s selber schon oft gepredigt… aber es war immer ein Stück Plastikmünze in der echten.
Ich will dich heute neu einladen: Wenn dein Ich-Ideal dich erdrückt, wenn Du merkst, dass du ein guter Christ sein willst, aber es nicht schaffst, dann komm zu Jesus ans Kreuz. Und wenn du es satthast, so zu tun als schafftest du es aus eigener Kraft, aber du die ganze Zeit irgendetwas heimlich verstecken und den Deckel draufhalten musst, weil du denkst, dass du fertig wärst, wenn das rauskäme, dann erhebe deine Augen zum Kreuz und schöpfe Hoffnung. Im Hebräer-Brief wird der Glaube an Jesus mit der Sabbat—Ruhe verglichen. So wie das Volk Israel ausgezogen ist aus dem Land der Sklaverei und dann in das gelobte Land kam, so sagt der Verfasser des Hebräer-Briefes: „Denn wir, die wir gläubig geworden sind, kommen in seine Ruhe.“
Das Kreuz ist der Weg dorthin! Weiter steht geschrieben: „Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken aus, wie Gott von den seinigen.“ Der Verfasser bezieht sich natürlich auf den siebten Schöpfungstag, auf den Ruhetag. Jesus ist deine Sabbat- Ruhe. Jesus ist der Ort, wo du kommen kannst, egal was an deinem Herzen ist. Jesus ist der Ort, wo du ausruhen kannst und wo alles neu werden kann. Er ist so gut! Diese Botschaft ist so gut! Und sie verändert ALLES! Das ist die wahre Münze; das entfesselte, das ungezähmte, das ewigwirksame, das wunderbare Evangelium.
das video dazu: youtube