Dominus Jesus #02


Wird fortgesetzt :

 

I. Fülle und Endgültigkeit der Offenbarung Jesu Christi

5. Um dieser relativistischen Mentalität, die sich immer mehr ausbreitet, Abhilfe zu schaffen, muss vor allem der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi bekräftigt werden. Es ist nämlich fest zu glauben, dass im Mysterium Jesu Christi, des fleischgewordenen Sohnes Gottes, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) ist, die Fülle der göttlichen Wahrheit geoffenbart ist:

»Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will« (Mt 11,27). »Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« (Joh 1,18). »Denn in ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes. Durch ihn seid auch ihr davon erfüllt« (Kol 2,9_10).

In Treue zum Wort Gottes lehrt das Zweite Vatikanische Konzil:

»Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist«.9 Bekräftigend heißt es weiterhin: »Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als „Mensch zu den Menschen“ gesandt, „verkündet die Worte Gottes“ (Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt… Daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13)«.10

Die Enzyklika Redemptoris missio bekräftigt, dass die Kirche die Aufgabe hat, das Evangelium als die Fülle der Wahrheit zu verkünden: »In diesem endgültigen Wort seiner Offenbarung hat Gott sich in vollendetster Weise der Welt zu erkennen gegeben: er hat der Menschheit mitgeteilt, wer er ist. Und diese endgültige Selbstoffenbarung Gottes ist der tiefste Grund, weshalb die Kirche ihrer Natur nach missionarisch ist. Sie kann nicht davon absehen, das Evangelium, d.h. die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat, zu verkünden«.11 Nur die Offenbarung Jesu Christi »führt also in unsere Geschichte eine universale und letzte Wahrheit ein, die den Verstand des Menschen dazu herausfordert, niemals stehenzubleiben«.12

6. Im Gegensatz zum Glauben der Kirche steht deshalb die Meinung, die Offenbarung Jesu Christi sei begrenzt, unvollständig, unvollkommen und komplementär zu jener in den anderen Religionen. Der tiefste Grund dieser Meinung liegt in der Behauptung, dass die Wahrheit über Gott in seiner Globalität und Vollständigkeit von keiner geschichtlichen Religion, also auch nicht vom Christentum und nicht einmal von Jesus Christus, erfasst und kundgetan werden könne.

Diese Auffassung widerspricht radikal den vorausgehenden Glaubensaussagen, gemäß denen in Jesus Christus das Heilsmysterium Gottes ganz und vollständig geoffenbart ist. Die Worte und Werke und das ganze geschichtliche Ereignis Jesu haben nämlich, auch wenn sie als menschliche Wirklichkeiten begrenzt sind, als Quellgrund die göttliche Person des fleischgewordenen Wortes, »wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch«,13 und bergen deshalb in sich endgültig und vollständig die Offenbarung der Heilswege Gottes, auch wenn die Tiefe des göttlichen Mysteriums an sich transzendent und unerschöpflich bleibt. Die Wahrheit über Gott wird durch ihre Aussage in menschlicher Sprache nicht beseitigt oder eingegrenzt. Sie bleibt vielmehr einzigartig, ganz und vollständig, denn derjenige, der spricht und handelt, ist der fleischgewordene Sohn Gottes. Aus diesem Grund verlangt der Glaube das Bekenntnis, dass das fleischgewordene Wort in seinem ganzen Mysterium, das von der Menschwerdung bis zur Verherrlichung reicht, der reale Quellgrund, wenn auch in Teilhabe am Vater, und die Erfüllung der ganzen Heilsoffenbarung Gottes an die Menschheit ist,14 und dass der Heilige Geist, der Geist Christi, die Apostel und durch sie die Kirche aller Zeiten diese »ganze Wahrheit« (Joh 16,13) lehrt.

7. Die der Offenbarung Gottes entsprechende Antwort ist »der „Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,5; vgl. Röm 16,26; 2 Kor 10,5_6). Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich „dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft“ und seiner Offenbarung willig zustimmt«.15 Der Glaube ist ein Geschenk der Gnade:

»Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen undes jedem leicht machen muss, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben„«.16

Der Gehorsam des Glaubens führt zur Annahme der Wahrheit der Offenbarung Christi, die von Gott, der Wahrheit selbst, verbürgt ist:17 »Der Glaube ist eine persönliche Bindung des Menschen an Gott und zugleich, untrennbar davon, freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit«.18 Der Glaube, der »ein Geschenk Gottes« und »eine von ihm eingegossene übernatürliche Tugend«19 ist, führt also zu einer doppelten Zustimmung: zu Gott, der offenbart, und zur Wahrheit, die von ihm geoffenbart ist, wegen des Vertrauens, das der offenbarenden Person entgegengebracht wird. Deshalb sollen wir »an niemand anderen glauben als an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist«.20

Deshalb muss mit Festigkeit an der Unterscheidung zwischen dem theologalen Glauben und der inneren Überzeugung in den anderen Religionen festgehalten werden. Der Glaube ist die gnadenhafte Annahme der geoffenbarten Wahrheit, die es gestattet, »in das Innere des Mysteriums einzutreten, dessen Verständnis er in angemessener Weise begünstigt«.21 Die innere Überzeugung in den anderen Religionen ist hingegen jene Gesamtheit an Erfahrungen und Einsichten, welche die menschlichen Schätze der Weisheit und Religiosität ausmachen, die der Mensch auf seiner Suche nach der Wahrheit in seiner Beziehung zum Göttlichen und Absoluten ersonnen und verwirklicht hat.22

Nicht immer wird diese Unterscheidung in der gegenwärtigen Diskussion präsent gehalten. Der theologale Glaube, die Annahme der durch den einen und dreifaltigen Gott geoffenbarten Wahrheit, wird deswegen oft gleichgesetzt mit der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, mit religiöser Erfahrung also, die noch auf der Suche nach der absoluten Wahrheit ist und der die Zustimmung zum sich offenbarenden Gott fehlt. Darin liegt einer der Gründe für die Tendenz, die Unterschiede zwischen dem Christentum und den anderen Religionen einzuebnen, ja manchmal aufzuheben.

8. Es wird auch die Hypothese vom inspirierten Wert der heiligen Schriften anderer Religionen aufgestellt. Gewiss ist anzuerkennen, dass viele Elemente in ihnen faktisch Mittel sind, durch die eine große Zahl von Personen im Laufe der Jahrhunderte ihre religiöse Lebensbeziehung mit Gott nähren und bewahren konnten und noch heute können. Wie bereits erwähnt, hat deshalb das Zweite Vatikanische Konzil gesagt, dass die Lebensweisen, die Vorschriften und die Lehren der anderen Religionen »zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber [die Kirche] für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet«.23

Die Überlieferung der Kirche gebraucht jedoch die Bezeichnung inspirierte Schriften nur für die kanonischen Bücher des Alten und des Neuen Bundes, insofern sie vom Heiligen Geist inspiriert sind.24 Das Zweite Vatikanische Konzil greift in der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung diese Überlieferung auf und lehrt:

»Aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Petr 1,19-21; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind«.25 Diese Bücher »lehren sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte«.26

Weil aber Gott alle Völker in Christus zu sich rufen und ihnen die Fülle seiner Offenbarung und seiner Liebe mitteilen will, hört er nicht auf, sich auf vielfältige Weise gegenwärtig zu machen, »nicht nur dem einzelnen, sondern auch den Völkern im Reichtum ihrer Spiritualität, die in den Religionen ihren vorzüglichen und wesentlichen Ausdruck findet, auch wenn sie „Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer“ enthalten«.27 Die heiligen Bücher anderer Religionen, die faktisch das Leben ihrer Anhänger nähren und leiten, erhalten also vom Mysterium Christi jene Elemente des Guten und der Gnade, die in ihnen vorhanden sind.

Fortsetzung folgt …

Dominus Jesus #01

Über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche

Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 6. August 2000

Einleitung

1. Bevor der Herr Jesus in den Himmel aufgefahren ist, hat er seinen Jüngern den Auftrag gegeben, der ganzen Welt das Evangelium zu verkünden und alle Völker zu taufen:

»Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden« (Mk 16,15_16). »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,18_20; vgl. auch Lk 24,46_48; Joh 17,18; 20,21; Apg 1,8).

Die universale Sendung der Kirche entspringt dem Auftrag Jesu Christi und verwirklicht sich durch die Jahrhunderte, indem das Mysterium Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, sowie das Mysterium der Menschwerdung des Sohnes als Heilsereignis für die ganze Menschheit verkündet wird. Dies sind die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubensbekenntnisses:

»Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles erschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt«.1

2. In allen Jahrhunderten hat die Kirche das Evangelium Jesu in Treue verkündet und bezeugt. Am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends ist diese Sendung aber noch weit davon entfernt, vollendet zu sein.2 Deshalb ist heute der Ruf des heiligen Paulus über den missionarischen Auftrag jedes Getauften mehr denn je aktuell:

»Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16).

Dies erklärt die besondere Aufmerksamkeit, die das Lehramt der Begründung und Unterstützung des kirchlichen Evangelisierungsauftrags gewidmet hat, vor allem in Beziehung zu den religiösen Traditionen der Welt.3

In Anbetracht der Werte, die in diesen Traditionen bezeugt und der Menschheit angeboten werden, heißt es in der Konzilserklärung über die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen offen und positiv:

»Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet«.4

In Fortführung dieser Linie wird heute beim Auftrag der Kirche zur Verkündigung Jesu Christi, der

»der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) ist, auch der interreligiöse Dialog gepflegt, der die missio ad gentes gewiss nicht ersetzt, sondern begleitet, wegen jenes Mysteriums der Einheit, aus dem folgt, »dass alle erlösten Menschen, wenngleich in Verschiedenheit, dennoch an dem einen und selben Geheimnis der Erlösung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist teilhaben«.5

Dieser Dialog, der zum Evangelisierungsauftrag der Kirche gehört,6 führt zu einer Haltung des Verständnisses und zu einer Beziehung der gegenseitigen Kenntnis und der wechselseitigen Bereicherung, und zwar im Gehorsam gegenüber der Wahrheit und mit Respekt vor der Freiheit.7

3. Die Praxis und die theoretische Vertiefung des Dialogs zwischen dem christlichen Glauben und den anderen religiösen Traditionen werfen neue Fragen auf, auf die man einzugehen versucht, indem man neue Wege der Forschung einschlägt, Vorschläge entwickelt und Verhaltensweisen anregt, die eines sorgfältigen Unterscheidungsvermögens bedürfen. Die vorliegende Erklärung möchte den Bischöfen, Theologen und allen katholischen Gläubigen zu dieser Thematik einige unumgängliche lehrmäßige Inhalte in Erinnerung rufen, die der theologischen Forschung helfen sollen, Lösungen zu entwickeln, die mit dem Glaubensgut übereinstimmen und auf die kulturellen Bedürfnisse unserer Zeit antworten.

Die darlegende Sprache der Erklärung entspricht ihrer Zielsetzung. Diese besteht nicht darin, in organischer Weise die Problematik über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche zu behandeln oder Lösungen zu den Fragen vorzulegen, die von den Theologen frei diskutiert werden. Die Erklärung will vielmehr die Lehre des katholischen Glaubens zu dieser Thematik erneut darlegen, zugleich einige wesentliche Probleme erwähnen, die für weitere Vertiefungen offen bleiben, und bestimmte irrige oder zweideutige Positionen zurückweisen. Aus diesem Grund greift die Erklärung auf die Lehre zurück, die in früheren Dokumenten des Lehramts vorgetragen wurde, und beabsichtigt, jene Wahrheiten zu bekräftigen, die zum Glaubensgut der Kirche gehören.

4. Die immerwährende missionarische Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus nicht nur de facto, sondern auch de jure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen. In der Folge werden Wahrheiten als überholt betrachtet, wie etwa der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi, die Natur des christlichen Glaubens im Verhältnis zu der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, die Inspiration der Bücher der Heiligen Schrift, die personale Einheit zwischen dem ewigen Wort und Jesus von Nazareth, die Einheit der Heilsordnung des fleischgewordenen Wortes und des Heiligen Geistes, die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi, die universale Heilsmittlerschaft der Kirche, die Untrennbarkeit — wenn auch Unterscheidbarkeit — zwischen dem Reich Gottes, dem Reich Christi und der Kirche, die Subsistenz der einen Kirche Christi in der katholischen Kirche.

Die Wurzeln dieser Auffassungen sind in einigen Voraussetzungen philosophischer wie auch theologischer Natur zu suchen, die dem Verständnis und der Annahme der geoffenbarten Wahrheit entgegenstehen. Einige davon sind: die Überzeugung, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar ist, nicht einmal durch die christliche Offenbarung; die relativistische Haltung gegenüber der Wahrheit, weswegen das, was für die einen wahr ist, es nicht für andere wäre; der radikale Gegensatz, der zwischen der logischen Denkweise im Abendland und der symbolischen Denkweise im Orient besteht; der Subjektivismus jener, die den Verstand als einzige Quelle der Erkenntnis annehmen und so unfähig werden, »den Blick nach oben zu erheben, um das Wagnis einzugehen, zur Wahrheit des Seins zu gelangen«;8 die Schwierigkeit zu verstehen und anzunehmen, dass es in der Geschichte endgültige und eschatologische Ereignisse gibt; die metaphysische Entleerung des Ereignisses der Menschwerdung des ewigen Logos in der Zeit, die zu einer bloßen Erscheinung Gottes in der Geschichte verkürzt wird; der Eklektizismus jener, die in der theologischen Forschung Ideen übernehmen, die aus unterschiedlichen philosophischen und religiösen Strömungen stammen, ohne sich um deren Logik und systematischen Zusammenhang sowie deren Vereinbarkeit mit der christlichen Wahrheit zu kümmern; schließlich die Tendenz, die Heilige Schrift ohne Rücksicht auf die Überlieferung und das kirchliche Lehramt zu lesen und zu erklären.

Ausgehend von solchen Voraussetzungen, die in unterschiedlichen Nuancierungen zuweilen als Behauptungen, zuweilen als Hypothesen auftreten, werden theologische Vorschläge erarbeitet, in denen die christliche Offenbarung und das Mysterium Jesu Christi und der Kirche ihren Charakter als absolute und universale Heilswahrheit verlieren oder wenigstens mit einem Schatten des Zweifels und der Unsicherheit behaftet werden.

Fortsetzung folgt …

30.Mai- Sterbetag von Fernando III. „el Santo“ König von Castilia-Leon

 

Heute vor 752 Jahren verstarb in Sevilla der Hl. Fernando III. König von Kastilien und Leon, Heiliger und Nationalheld in Spanien.

Er eroberte u.a. Sevilla von den Mauren zurück, wo er in der dortigen Kathedrale begraben liegt. Er ging als gläubiger und gerechter König in die Geschichte ein.

Hier seine Lebensbeschreibung in wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_III._(Kastilien)

Sein Sohn und Nachfolger Alfonso X. hat auch eine Verbindung mit Deutschland, denn er wurde 1257 zum römisch-deutschen König gewählt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Ebenso war Philipp von Schwaben sein Großvater.

Fernando III. wurde in den „Cantigas de Santa Maria“, welche sein Sohn verfasste, auch musikalisch ein Denkmal gesetzt:

In diesem Lied erschien der verstorbene Fernando III. im Traum einem Goldschmied, um ihn zu bitten, dass er den Königsring von Fernando III. der Statue der Hl. Jungfrau Maria in der Kathedrale von Sevilla übergeben soll.

Gedenken wir Heute seiner Seele, der soviel Gutes für die Kirche getan hat.

Wallfahrtstag im überlieferten Ritus

Am Donnerstag den 1. Mai 2014 (Feiertag), 10.00 Uhr, wird in der Wallfahrts- und Pfarrkirche St. Philipp von Zell, in 67308 Zellertal, Ortsteil Zell, ein feierliches  Hochamt im lateinischen Ritus stattfinden.

Zelebrant und Prediger ist Domkapitular Msgr. Dr. Norbert Weis.

Nachmittags um 14.00 Uhr feierliche Maiandacht mit Te Deum und sakramentalem Segen.

Alle Interresierten sind herzlich eingeladen.

Auf Christus schauen – auf Christus hören

Hirtenbrief zum 2. Fastensonntag 2013

Von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann

Liebe Schwestern und Brüder!

Bei einem Gesprächsabend mit Studenten wurde ich vor kurzem gefragt, in welcher Bibelszene ich selbst gerne dabei gewesen wäre. Spontan habe ich geantwortet: „Bei der Verklärung Jesu Christi auf dem Berg.“ Erst im Nachdenken über meine eigene Antwort ist mir klar geworden, dass ich hier intuitiv auf die tief empfundene Not des Augenblicks reagiert habe: auf den Wunsch, durch alles, was sich wie ein schwerer Schatten auf die Freude am Glauben und am Leben der Kirche gelegt hat, hindurchzublicken auf den Herrn der Kirche selbst. Auf ihn, der Licht ist auf allen Wegen. Dieser Wunsch drückt die Sehnsucht aus, Jesus wieder klarer erkennen zu können hinter all dem und durch all das hindurch, was in der Kirche und der Welt von heute geschieht. Dann kann die Zuversicht selbst in der Bedrängnis wachsen. Und auch der Mut, Umkehr und Erneuerung zu wagen.

In der Zwischenzeit ist durch die überraschende Rücktrittserklärung unseres Heiligen Vaters, Papst Benedikt, die Situation der Kirche nochmals verändert. Ich habe großen Respekt vor seiner Entscheidung, aus der ein hohes Verantwortungsbewusstsein für die Kirche in der Welt von heute spricht. Papst Benedikt ist ein großer, leidenschaftlicher Gottsucher. „Wo Gott ist, da ist Zukunft.“ Das Motto seines letzten Deutschlandbesuches steht über seinem ganzen Leben, und es gibt Antwort auf die Herausforderung der säkularisierten Welt. In all seiner geistigen und geistlichen Größe zeigt er nun mit seinem Rücktritt auf beeindruckende Weise: Auch der Papst ist nur ein Mensch. Und es hat mich ergriffen, dass er bei seiner Erklärung in schlichter, demütiger Weise auch um Verzeihung für seine Fehler gebeten hat. Gleichzeitig zeigt sich mit seinem Rücktritt sein unerschütterliches Vertrauen darauf, dass es Gott selber in Jesus Christus und durch den von ihm gesandten Geist ist, der seine Kirche führt, so dass die „Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen“ können (Mt 16,18). Durch die Lücke, die nun mit der Vakanz entsteht, und durch das eindringliche Gebet der ganzen Kirche um den Heiligen Geist, das das kommende Konklave begleitet, wird deutlich: Nicht wir „machen“ Kirche, sondern alles kommt darauf an, dass der Herr selber seine Kirche führt. Wir können nur, wie Papst Benedikt am Anfang seines Pontifikates gesagt hat, „einfache demütige Arbeiter im Weinberg des Herrn“ sein.

Damit rückt nun der tiefe Wunsch nach dem Durchblick auf den Herrn selber wieder in den Mittelpunkt, so wie ihn der heilige Paulus leidenschaftlich formuliert hat: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung.“ (Phil 3,10) Das führt uns zur Szene der Verklärung im heutigen Evangelium zurück.

Diese Szene hat geheimnisvolle Züge. Jesus nimmt drei seiner Jünger beiseite, um sich mit ihnen in die Einsamkeit einer Bergeshöhe zum Gebet zurückzuziehen. Irgendetwas muss Jesus im Inneren aufgewühlt haben. Schon zuvor heißt es im Lukas-Evangelium, dass Jesus aus der Einsamkeit des Gebetes heraus seine Jünger fragte: „Wofür halten mich die Leute?“ (Lk 9,18) Was sagt die öffentliche Meinung? Und er fügt an diese Frage seine erste Leidensankündigung an, die er nur dem inneren Kreis der Jünger anvertraut. Zu allen aber, sagte er: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Lk 9, 23) Er beschwört sie geradezu, sich nicht in die Irre führen zu lassen. „Was nützt es einem Menschen“, ruft er aus, „wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ Und er fügt hinzu: „Wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Hoheit kommt…“ (Lk 9,24-26) Das ist die innere und äußere Stimmung, in der Jesus mit dem engsten Kreis seiner Jünger auf den Berg steigt.

Und während des Gebetes geschieht eine geheimnisvolle Wandlung. Das Aussehen seines Gesichtes, ja seiner ganzen Gestalt wird von Licht durchflutet – und er ist auf einmal nicht mehr alleine da. Aus der einsamen Gestalt des Beters wird unter den staunenden Blicken der Jünger eine Gemeinschaft von Zeugen. Da erscheinen Moses, der für das Gesetz im Alten Bund steht, und Elija, der die Reihe der Propheten verkörpert. Der ganze Alte Bund, Gesetz und Propheten, verweist auf diesen Jesus von Nazareth. Und die drei Jünger, Petrus, Johannes und Jakobus, sind als Kern des neuen Volkes Gottes, der Kirche, in dieses Geschehen als Zeugen ganz hinein genommen. Gott selbst beglaubigt seinen Sohn aus der Wolke heraus als sein endgültiges Wort an uns Menschen: „Auf ihn sollt ihr hören.“ (Lk 9,35)

Was würde Jesus sagen, wie würde er handeln? Diese Frage müssen wir uns immer wieder stellen. Im Morgengebet der Kirche beten wir jeden Tag: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes hat uns besucht das aufstrahlende Licht aus de Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.“ (Lk 1,79) Viele suchen und sehnen sich gerade in unserer Zeit nach diesem barmherzigen Angesicht, das durch die Kirche in die Welt leuchten soll. Und sie stoßen sich zu recht daran, wenn es durch Fehlverhalten verdunkelt wird. So wie Jesus niemanden in Not abgewiesen hat, müssen auch wir uns gerade den Menschen in schwierigen und Not beladenen Lebenssituationen mit Liebe und einfühlender Hilfsbereitschaft zuwenden.

Was würde Jesus sagen, wie würde er handeln? Die Antwort auf diese Frage können wir nur finden, wenn wir auf Jesus schauen, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Jesus ist kein losgelöster religiöser oder sozialer Revolutionär, dessen Gestalt sich je nach Zeitvorstellung formen ließe. Zu Jesus finden wir in der Glaubensgemeinschaft der Kirche durch das Zeugnis der Schrift. Was aber sagt Jesus nach dem Zeugnis der Schrift von sich selbst? „Ich bin nicht … gekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ (Joh 6,38) So hat er uns auch zu beten gelehrt: „Vater, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ (Mt 6,10) Die Jünger müssen lernen, sich nicht einrichten zu können in den eigenen Vorstellungen von der Erlösung Israels, sondern mit Jesus Christus den Willen Gottes mit ganzer Kraft zu suchen und anzunehmen. Die Erfahrung der Verklärung bereitet sie für die entscheidenden Augenblicke vor, in denen sich der Weg und Wille Gottes so anders als ihre Vorstellungen davon erweisen und sie Gefahr laufen, daran irre zu werden. Und wieder sind es dieselben drei Apostel als Urkern der Kirche, die Jesus am Abend vor seinem Leiden mit in die Einsamkeit seines Gebetes nimmt, diesmal auf den Ölberg im Garten Gethsemanie. Für Jesus ist es die entscheidende Stunde, dem Willen Gottes nicht auszuweichen, sondern ihn ganz zu erfüllen: „Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ (Lk 22,42) Das Licht von Ostern, das alle Dunkelheit zu durchdringen vermag, gründet in dieser Stunde letzter Treue und Hingabe. Die Ostererfahrung der Jünger ist zuinnerst damit verbunden, dass ihnen nun aufgeht, dass der Menschensohn das Leiden auf sich nehmen musste.

Ich weiß, dass es nicht leicht ist, den Willen Gottes zu erkennen, und dass er nicht einfachhin gleich ist mit den manchmal auch sehr zeitbedingten Auffassungen und Gewohnheiten in der Kirche. Deus semper maior – Gott ist immer größer: das ist eine Grunderkenntnis, die uns gerade die Heiligen, die großen Gottsucher und Erneuerer der Kirche lehren. Die Kirche ist kein Über-Ich, das die Suche des Einzelnen, die eigene Gewissensverantwortung und die persönliche Aneignung des im Glauben Erkannten überflüssig machte. Eine gute Dialogkultur in der Kirche lebt aus dem Respekt davor. Aber die Kirche birgt in sich einen unauslotbaren Schatz von Glaubensweisheit unzähliger Glaubenszeugen durch die vielen Jahrhunderte hindurch. Ihr ist die feste Zusicherung gegeben, dass der Heilige Geist sie in der Wahrheit hält. Die Kirche steht, wie das II. Vatikanische Konzil gesagt hat, nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm (vgl. DV 12). Durch das Wirken des Geistes aber wird das Lehramt der Kirche in der Wahrheit gehalten, so dass das Volk Gottes sicher sein kann, „nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes“ zu empfangen (LG 12).

„Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68), bekennt Petrus im Johannes-Evangelium. Unter diesem Leitwort laden wir Bischöfe alle Gläubigen zur Mitfeier eines gemeinsamen eucharistischen Kongresses im Juni nach Köln ein. Wir wollen uns um den Herrn der Kirche versammeln. Aus seiner Gegenwart im Sakrament empfangen wir die Kraft, die Kirche zu erneuern und sie zu verlebendigen in der Freude am Glauben und an der Gemeinschaft im Glauben. Der eucharistische Kongress bietet eine große Chance: mit seinen Gottesdiensten, aber auch mit den vielen Möglichkeiten, sich über den Glauben auszutauschen, ihn zu vertiefen und Gemeinschaft in all dem zu erfahren. Das, was uns bewegt und uns Kraft und Zuversicht schenkt, stellen wir sichtbar und erfahrbar in die Mitte: die Freude am Herrn, die unsere Stärke ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn möglichst viele aus unseren Gemeinden und Verbänden mit nach Köln kämen. Gerade unsere Zeit braucht ein solches gemeinsames Zeugnis von der Lebendigkeit und Erneuerungskraft der Kirche, ein Zeugnis von jener Strahlkraft, die auch heute von Jesus Christus ausgeht und die alle Dunkelheiten unserer Welt durchdringen kann.

Ich danke allen für Ihr treues Glaubenszeugnis mitten in einer herausfordernden Zeit, das auch mich stärkt und ermutigt. Als Brüder und Schwestern sind wir gemeinsam in diese Stunde der Geschichte unserer Kirche gestellt. Bitten wir den Herrn, dass er uns mit seinem Licht erleuchte und in uns die Zuversicht des Glaubens bewahre. Bitten wir ihn auch um einen guten Nachfolger unseres Papstes Benedikt. So segne Sie alle der barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Quelle: cms.bistum.speyer.de

Heilige Nacht

Heilige Nacht.Es ist die Nacht der großen Verwandlung.

Weihnachten – Ereignis der Verwandlung. Es verwandelt sich die Finsternis in die Nacht.

Finsternis ist ohne Hoffnung, aussichtslos, ziellos, ausweglos. Finsternis ist voller Verzweiflung, eine Wand, nichts, das Nichts, ohne Aussage, ohne Wort. Nacht aber ist der große Schoß, der in sich das Licht enthält. In der Nacht rauschen Geheimnisse auf. Nacht: das ist das, was Aussicht, Weg, Zukunft, Ewigkeit in sich birgt und weiß. Nacht: das ist lichtschwanger, ewigkeitsschwanger; Nacht jenseits des Tages, das Eigentliche bergend, das Wort bergend, das eine, Notwendige, das gesprochen wird, vom Vater gesagt wird. Da der Vater Sich ausspricht – und was Er ausspricht, ist Er selber, das Wort, das Er zeugt und das in die Welt hineinkommt, vom Vater gesprochen, und aufleuchtet als Kind.

Das nächtige Schweigen, Mariens Schoß, bringt hervor das Licht. Und siehe da: Das ewige Licht, der allmächtige Schöpfer aller Dinge, Gott, ist ein Kind, ein kleines, wimmerndes, staunendes Kind. Ein Kind, das mit weitgeöffneten Armen das ewige Licht weiß, in das es von Ewigkeit schaut, in den ursprungslosen Ursprung, in den Vater. Es ist das staunende Kind, Eigentümer des Staunens, dessen, was den Menschen zum Menschen macht, weil es den Menschen vergöttlicht und zu ungeahnten Höhen hebt. Denn der staunend Ehrfürchtige, der vom Licht Ergriffenen und vom Licht Befallene wird eben dadurch zum Licht emporgehoben, denn das lichtschauende Auge ist selber lichthaft. Und der Wahrnehmende wird auf die Höhe dessen gehoben, was er wahrnimmt. Und der Erkennende ist auf der Höhe dessen, was er erkennt. Und dieses Menschenkind, das Gott ist, ist zum Vater erhoben, weil es den Vater schaut in Seinem menschlichen Geiste.

Denn es sind zwei Ebenen des Bewußtseins in diesem kindgewordenen Gott. Als Mensch entwickelt sich Sein Geist wie bei jedem anderen Menschen auch. Er nimmt zu an Alter, Weisheit und Gnade im Auge Gottes und im Auge der Menschen. Er lernt, Er empfängt, Er gewinnt, er wächst. Zugleich aber ist in Seinem Geiste schon die Vollendung. Im Mutterschoße und in der Krippe liegend, schaut dieses Kind, wie eben gesagt, voll Ehrfurcht und Wonne den Vater und zugleich ein anderes Staunen – nicht nur das staunende Schauen ins Licht, sondern das staunende Schauen in die Finsternis. Gott macht Sich die Finsternis zu eigen. Gott kommt in eine unbehagliche Welt, ins unbehagliche Dunkel, in die Gottesferne, ins Nichts, in die Ausweglosigkeit und Aussichtslosigkeit, in die Verzweiflung, in die Erniedrigung, in die Schmach.

Alles, was den Menschen kennzeichnet nach seiner schrecklichen Fehlentscheidung, nach seiner Verweigerung, all dies nimmt Gott an. Dieses Kind, in der Krippe tritt es an den langen Marsch durch die Finsternis. Und Es sieht diesen langen Marsch durch alle Stationen irdischer Finsternis und irdischen Elendes voraus. Da Gott die Finsternis, die Verzweiflung, die Schande, die Erniedrigung Sich zu eigen macht, wird die Finsternis göttlich. Die Gottesferne, das Nichts, das Erleiden des Nichts wird göttlich für den, der „JA“ sagt, also guten Willens ist. Es wird alles verwandelt, es wird alles anders. Die Finsternis wird Nacht. Die Aussichtslosigkeit wird voll Verheißung und Hoffnung. Und was im Zeichen der Trennung von Gott stand, die Erfahrung der Gottesferne, die Trostlosigkeit, die Einsamkeit, das Verlachtwerden, Verhöhntwerden, Verkanntwerden, Verleumdetwerden. Alles, was der Mensch durch die Jahrtausende seiner entsetzlichen Irrfahrt hindurch erleiden mußte, jedes Einzelnen Elend: das alles nimmt Gott an und es wird darum verwandelt.

Es war ein Zeichen der Gottesverbannung, es war ein Zeichen des Ausgestoßenseins, es war ein Zeichen der Strafe. Die Strafe besteht darin, daß Gott den freien Entschluß des Menschen annimmt und ernst nimmt – das ist seine Strafe –, daß Gott den Menschen seinem selbstgewählten Geschick überläßt – „Sieh du zu!“. Das alles, was im Zeichen dieser Entfernung von Gott, dieses Draußenseins, dieses Nichts gestanden hat, eben Leiden und Krankheit und Not und Hunger und Qual, das Erleidenmüssen unsäglicher Einsamkeit im Verlust nahestehender Menschen, harte Arbeit, gepeitscht, getreten werden, das Schicksal der Sklaven, das alles wird für den, der nun „JA“ sagt zu dem ganz nahegewordenen Gott, zum Zeichen des Drinnenseins, zum Zeichen des Angenommenseins.

Leiden heißt jetzt nicht mehr „Gott straft mich“, sondern: „Ich bin drinnen! Ich habe göttliche Macht und Chance, göttliche Macht auszustrahlen.“ Das Leiden hört nicht auf Leiden zu sein, aber da Gott das Leiden Sich zu eigen macht und vergöttlicht, leiden wir nicht mehr unter unserm Leiden und sehen darin nichts Negatives mehr, sondern Erhöhung, Bestätigung.

Der Mensch wird durch sein Leiden, das ihn mit Gott eins macht, gültig, mächtig, gewichtig, geheimer Herrscher. Die Präsidenten, die Ministerpräsidenten und Kanzler, die Könige und Diktatoren scheinen den Ausschlag zu geben und zu herrschen. Aber im Grund herrscht der einsame, unbeachtete, leidende Mensch in seiner scheinbaren Aussichtslosigkeit, scheinbar vergessen, mit Undank bedacht, bedroht, betrogen, umgeben von allen Gemeinheiten, die Menschen sich ausdenken können. Mitten in all diesen fürchterlichen Schrecken und Grausen ist der geplagte Mensch, der „JA“ sagt zu diesem kindgewordenen Gott, Herrscher der Welt. Von ihm gehen die Kraftströme aus, die den Ausschlag geben. Dort, wo die einsamen ihr Leid mit dem gekreuzigten Gott vereinen, dort sind die Throne aufgerichtet, von denen aus die zwölf Stämme Israels gerichtet werden, von denen aus die große Überschau erfolgt, von denen aus die Welt gelenkt und gerettet wird.

Jegliches Leiden ist eine Erhebung, eine Thronerhebung, eine Bestätigung. Wer über seinem Leiden verzweifelt, hat nichts begriffen. Für den, der noch draußen steht, der dem Islam anhängt oder dem alten Judentum, das von Christus nichts weiß, für den ist das Leiden ein Zeichen, daß Gott ihm eine Absage erteilt, daß Gott ihn ins Außen stellt, in die Ecke, daß Gott ihn straft. Für den, der draußen steht, ist alles irdische Glück eine Wohltat seitens Gottes und alles irdische Leid etwas von Gott unverständlicherweise Zugefügtes. Wir aber sind nicht im Islam. Wir sind nicht im alten Judentum. Wir sind auf der Ebene der Erlösung. Für uns ist das Leiden ein Zeichen: Du bist drinnen. Du hast Anteil am Göttlichen, höchsten Anteil. – Freue dich und frohlocke, wenn dich die Menschen verleumden und schmähen und betrügen, wenn dich die Menschen verachten, wenn sie dir alles Fälschliche nachsagen, wenn du einsam bist, wenn du unverstanden, verkannt, falsch eingeschätzt wirst, wenn du leidest, wenn du geschlagen bist mit Krankheiten! Erhebe deine Augen, die Augen des Geistes! Erhebe dein Haupt und wisse: „Dies alles habe Ich, dein Gott, erlitten, mehr, als du je es erleiden könntest. Ich habe den Gang angetreten durch die Jahrtausende des Menschengeschlechtes und jedes einzelnen Menschen Leid mit wachen Sinnen durchlitten, jeden kleinsten Bruchteil einer Sekunde.“ Dein Leiden ist ein Samenkorn. Von außen ist das Samenkorn unansehnlich, häßlich, unbedeutend. Wie ein Nichts, wie etwas zum Wegwerfen sieht es aus. Es hat keine Gestalt und keine Schönheit, das Samenkorn. Aber drinnen – geheimnisvoll, verheißungsvoll – ist die Herrlichkeit der Rose und der Blüte und der Frucht. Wenn das Samenkorn in die Erde fällt und stirbt, dann kommt es zu sich.

Also: Sage „JA“! Mehr brauchst du nicht. Auch wenn du ungerecht und erst recht auch wenn du gerechterweise bestraft wirst, ins Gefängnis kommst, in harte Fron kommst, wenn du gerechterweise leidest, wenn verständlicherweise die Menschen dich deines Tuns wegen verachten, auch diese Leiden sind von Gott gesegnet. Und jenes Leiden, das die Sünde mit sich bringt, die Sünde, die mir – meine Sünde – täglich, abendlich vor Augen steht, die ganze Brüchigkeit meines Daseins, das ich daherstottere, die Fragwürdigkeit meiner Beweggründe, die Armseligkeit meines Tuns und Gebarens, meiner Gedanken und Worte: all dies zu erleiden ist Gott gekommen. Er erleidet die Sünde des Menschen. Und sofern du unter deiner Unvollkommenheit, deinem ständigen Fallen, deiner Rückfälligkeit leidest, insofern deine Sünde Kreuz ist, ist auch deine Sünde gesegnet. Und alles, was dir zugefügt werden könnte, alles wird dir zum besten gereichen – auch die Sünde –, da Gott für dich, für mich zur Sünde geworden ist. Er hat den Zustand der Sünde angenommen, ist uns in allem gleich geworden. Nur hat Er persönlich keine Sünde begangen – aber den Zustand der Sünde erlitten, so daß auch die Sünde für dich zum Segen wird. Alles, alles wird zum Segen.

Das Kind ist da und schaut in die grausige Zukunft Seines Erdendaseins. Jahrtausende sind in diese wenigen Jahrzehnte hineingenommen, Jahrtausende dieses grauenvollen Erdendaseins. Blut und Tränen und Schläge und Striemen und vor allem die Not der Seelen, die Verzweiflung der Selbstmörder: all dies zu durchschreiten, Sich mit allem zutiefst vertraut zu machen, begibt Sich Gott von der Krippe aus auf den Weg.

Und schon liegt wie ein gewaltiger Schatten die Endstation des Weges über der Krippe – das Kreuz. „Dieser ist gekommen zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen, dem man widersprechen wird. Und auch deine Seele“, sagt Simeon zu dem spiegelnden Bronnen, zu dem reinsten Spiegel, zu Maria, „wird ein Schwert durchbohren, auf daß die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.“

Nun bist du unabhängig geworden. Dein Glück ist völlig unabhängig vom Schicksal. Leiden ist dein Glück, ist deine Macht und Kraft und Herrlichkeit. Wir kennen ja jenen Katalog aus dem Korintherbrief des hl. Paulus, wo er sich seiner Leiden und Schwachheiten rühmt, er, der geschlagene Apostel, der unter den fürchterlichsten Tritten und Anfechtungen und Gewalttaten Satans aufschreit zum Herrn: „Komm und nimm dies wenigstens von mir!“ – „Nein!“, hört er die Stimme. „Meine Gnade genügt dir. Denn die Kraft und die Herrlichkeit Gottes kommt in der Schwachheit“, in der Armseligkeit, im Leiden, in der Not „zur Vollendung.“

Das ist die Verwandlung dieser heiligen Nacht. Der allmächtige Gott wird Kind. Die Ohnmacht verwandelt sich in Allmacht, die Finsternis in heilige Lichtnacht, das Leiden in Macht und Herrlichkeit. Wenn es heißt „Groß ist euer Lohn im Himmel“, dann ist das jetzt schon erfüllt; denn der Himmel ist ja in dir. Du wirst des Himmels gewahr werden, wenn dieser Leib von dir abfällt. Aber auch dieser Leib, gerade dieser Leib, dieser geschlagene, behaftete, gequälte, gemarterte Leib, dieses Gehirn, eben die Ursache für alles seelische und geistige und körperliche Leiden, dieses Instrument göttlicher Machtausübung, da das Wort Fleisch geworden ist: wenn dieses Fleisch von dir abfällt, dann wirst du merken, wie nun alles Leiden in Herrlichkeit aufgegangen ist und was schon eh und je in dir war, nur verborgen.

Denn der Himmel ist in dir. Suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn für und für. In dir ist der dreifaltige Gott. In dir ist unaussprechliche Wonne. In dir sind die drei göttlichen Personen – Vater, Sohn, Heiliger Geist. Sie besprechen Sich. Sie sind in ekstatischer Liebe entbrannt. Sie sind außer Sich und wohnen deshalb ineinander. Das alles ist in dir, in deinem Leibe und in deinem Geiste. Und der Sohn spricht zu Seinem Vater von Seinen entsetzlichen Erfahrungen durch die Jahrtausende Seines Erdenleides hindurch. Er erleidet Jahrtausende, weil jeder kleinste Bruchteil jeder Sekunde mit äußersten Nervenenden, hellwach von Ihm durchlitten wird. Er leidet viel intensiver, als je ein Mensch leiden könnte. Er ist darum der tief Vertraute deiner Leiden. Und wenn du Ihm deine Leiden klagst, dann hörst du: „Ich weiß doch alles. Ich weiß es doch. Sei getrost, Ich bin es. Fürchte dich nicht. Sei Herr deiner Leiden! Nimm sie in die Hand wie ein Zepter und beherrsche in Mir und durch Mich die Welt!“ Und darüber spricht der Sohn zum Vater und der Vater zum Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes. Und in der Liebe des Heiligen Geistes tauschen Sie Ihre Erfahrungen aus. Und in der Mitte Ihrer liebenden Gespräche bist du. Denn du bist Gottes Leidenschaft. Dein Leiden ist Gottes Leidenschaft. Dein Weg ist Gottes Leidenschaft. Alles wird gut. Du bist also völlig unabhängig.

Dein Glück, sage ich, ist unabhängig vom Schicksal, auch unabhängig von allen Gegebenheiten, von allen äußeren Möglichkeiten und Zufälligkeiten. Denn es hängt ja von äußeren Umständen ab, ob du in der Lage bist, das heilige Opfer zu besuchen, dabei zu sein, wenn der Gottmensch Sich opfert. Es hängt ja von Umständen ab, über die du keine Gewalt hast, ob du teilnehmen kannst an der heiligen Messe, ob du das Bußsakrament empfangen und die Worte der Lossprechung hören kannst. Und wenn die Möglichkeit da ist, wird alles in dir danach brennen, die Sichtbarkeit Gottes zu erfahren, Seine Worte zu hören und im Fleische zu schauen das Heil, das in den heiligen Mysterien sich ereignet. Aber wenn dir diese Gelegenheit nicht gegeben ist, wenn du kein einziges Sakrament empfangen kannst, ist dann deine Erlösung dadurch zuschanden geworden? – Keineswegs!

Mir fällt ein junger Mann ein, der immer in Depressionen sich bewegte, weil er die heißersehnte Priesterweihe nicht empfangen konnte. Er geriet darüber in Traurigkeit und Depressionen. Und ich sagte ihm: „Vergiß nicht, daß Du erlöst bist. Mag kommen, was wolle. Du bist erlöst. Du bist in Ihm. Vergißt Du die Einwohnung des Hl. Geistes? Vergißt Du, daß Du drinnen bist im dreifaltigen Gott und Er in dir? Vergißt Du, daß eben dieses Dein Leiden und Schmachten und Verlangen Freude ist? Warum leidest Du unter Deinem Leiden? Warum freust Du dich nicht Deiner Leiden? Warum rühmst Du dich nicht Deiner Leiden? Denn du bist erlöst!“ – Das ist das Geschenk dieser Nacht. Der Unendliche wird klein, der Allmächtige ein wimmerndes Kind, abhängig von den Menschen, ein wissendes, ein allwissendes Kind, ein Kind mit allem Liebreiz, ein staunendes Kind. Es staunt hinein ins Licht und hinein in die Finsternis. Staunend tritt es Seinen Weg an. Und Er wird von den äußersten Enden aller Möglichkeiten menschlicher Verworfenheit, Verlorenheit und Not Seinen Weg antreten und dabei alle lieben, jeden lieben und Sich unter Verbrecher begeben und Freundschaft schließen mit dem verachtetsten und verkommensten Menschen: „Ich bin schon da. Ich bin bei dir.“

Er wird Seiner Liebe wegen den Haß der Welt auf Sich ziehen. Er wird denen, die sich ihrer Taten rühmen, die Maske vom Gesicht reißen. Er wird die beschämen und entlarven, die da meinen im Besitz der Gerechtigkeit zu sein und sicher der göttlichen Zusage und Belohnung. Er wird sie zurückweisen und ihnen deutlich machen, daß sie angewiesen sind auf das selbe Ausmaß des Erbarmens, dessen auch der letzte Verbrecher bedarf. Und das wird Ihm die Welt und das werden Ihm die „Gerechten“, die „neunundneunzig Gerechten“ nicht verzeihen, daß Er Sich mit den letzten Verbrechern in tiefster brüderlicher Liebe vereint: „Ich bin dein. Sei getrost, Ich bin““s. Fürchte dich nicht!“ Unabhängig bist du. Immer ist das Erbarmen in dir wirksam. Immer ist in dir der Hl. Geist, der die Vergebung der Sünden selber ist. Immer wird dein Ruf nach Erbarmen erfüllt. Dein „Ich will!“ ist die absolute Garantie der Erfüllung. Dein „JA“-Wort ist alles. Mehr bedarf““s nicht, keiner Vorleistung. Er ist da. Sag Ihm, „Ich bin auch da“. Das ist die heilige Nacht. Sie nimmt nicht das Leiden von dir. Manchmal hört man: „Mir ist Weihnachten verdorben. Ich habe keine Freude an Weihnachten.“ Als müsse Weihnachten auf einmal die Welt poliert sein und harmonisch und wohlgestaltet, als müsse auf einmal alles Leiden verschwinden, als müsse Weihnachten so wie eine einsame Oase in der Wüste dieser Erdenfinsternis aufleuchten. Das ist eine Illusion! Das ist nicht der Sinn von Weihnachten, sondern Weihnachten birgt mit allen Finsternissen und mit allen Leiden, die es nicht nimmt, sondern vergöttlicht, die es nicht auslöscht, sondern bestätigt, Weihnachten bedeutet Heil für dein Leiden!

Weihnachten nimmt dein Leiden nicht von dir weg, aber Weihnachten krönt dein Leiden und gibt deinem Leiden das Zepter der Herrlichkeit.

Das ist das Wort, das aus der Krippe dir entgegenleuchtet, aus der Verlorenheit, aus der Verlassenheit, unerkannt von den Mächtigen der Zeit, in einer Randprovinz.

Jeder Prokurator, der dorthin versetzt ist, empfindet es geradezu als eine Strafversetzung. Wie eine Verbannung nach Sibirien mußte ein Pontius Pilatus seine Stelle als Landpfleger empfinden in diesem verlassenen, verachteten Landstrich und dort noch in diesem unbekannten Nest; und da noch draußen und da noch in jener Höhle, in jenem Stall, unbekannt, unbeachtet von der Welt, von da aus geht die Herrschaft, Seine Herrschaft. Warum Seine Herrschaft? – Deiner Herrschaft wegen. Sagst du „JA“? Du brauchst nur „JA“ zu sagen – allerdings ein nachdrückliches, ein leidenschaftliches, ein bedingungsloses, ein ungekürztes „JA“-Wort, ein „JA“-Wort, das sich selber nicht beschneidet mit der törichten Ausrede, kein Fanatiker sein zu wollen, ein „JA“-Wort, in das du dein ganzes Dasein hineinlegst, bedingungslos, mit einer flammenden Unbedingtheit, diese „JA“-Wort, das dich mit Haut und Haaren festlegt, das deine Freiheit in die unwiderrufliche Notwendigkeit hineinzieht. Dieses „JA“-Wort, das dich zum Herrn macht der Welt, dieses „JA“-Wort läßt dich mit diesem verachteten, armen, unbeachteten Kinde, von dem nur die einfachsten Menschen, arme, unbeachtete Hirten, erfahren, solidarisch, identisch werden. In Ihm, durch Ihn und mit Ihm wirst du herrschen, herrschst du jetzt schon. Jetzt, in dieser Sekunde, ereignet es sich für dich, daß du kraft deiner Leiden zur Herrscherin und zum Herrscher wirst.

Das ist die Botschaft, die heilige, beseligende Botschaft dieser Nacht. Darum will der Herr in dieser Nacht frohe Gesichter sehen, die froh sind, weil sie leiden, und nicht wie die, die draußen stehen, die Heiden, die vom Wahn und der Finsternis des Islam Umfangenen, traurig sind, weil sie leiden.

Beim Christen hat sich alles ins Umgekehrte verwandelt. Und dies habt zum Zeichen: das Kind in der Krippe.

Pfarrer Hans Milch 1984

Zum Advent

Einige Gedanken kurz vor dem Fest der Erlösung. Das Wort das Herrn erging an Johannes in der Wüste. Wüste heißt Offenheit, für Gott offen sein, für Ihn sich leer machen, ohne Ablenkung, ohne Vielerlei, ohne Wechsel der Erscheinung. „In die Wüste gehen“ heißt zu sich selbst gehen – der tiefste Sinn dessen, was das Wort „Wüstenväter“ beinhaltet.

Nach den großen, ekstatischen Martyrien, da die großen Bekenner sich hingaben dem Rachen der Löwen und den malmenden Zähnen der Bestien, dem Schwerte und dem Kreuz, schon hinübergehoben über alle Grenzen, als die Zeit der Verfolgung vorbei war, da brannte in den Herzen der Ergriffensten das Verlangen nach dem anderen Martyrium, jenseits der Erscheinungen zu leben, jenseits jeglicher Zerstreuung, jenseits des Irdischen schon den heißersehnten Liebestod vor dem körperlichen Hinscheiden zu erfahren. Darum gingen sie in die Wüste, um den Tod vorwegzunehmen, um schon jenseits des Jordan zu wohnen, wo Johannes taufte. So heißt es ja an anderer Stelle: „Dies aber geschah zu Bethanien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte“ – jenseits des Jordan: Eben drüben, am anderen Ufer in der Wüste, jenseits des Getriebes, jenseits von Gesellschaft und Geselligkeit, jenseits der vielen Worte, jenseits des Vielerlei, ins eine hineingehen, was not tut.

Denn „Buße“ heißt ja „Einerlei“. Da ist nur das eine und immer gleiche zu sehen: der gewölkte, flammende Himmel der Nacht, der ja in der thebaischen Wüste ganz besonders niedrig hängt – auch in der Wüste, in die der hl. Johannes der Täufer hineinging – und tagsüber der freie Himmel, unter dessen Dach ungeschützt, barhäuptig der einzelne sich dem Anspruch Gottes preisgab. Rechts und links war nichts zu finden. Weite Horizonte, aber sprachloser Sand, Armut des Geistes: das ist in der Wüste garantiert und mit der Wüste gemeint und gesichert. Die Wüste ist gleichsam ein wirksames Sinnbild, ein sakramentales Zeichen für die Armut des Geistes. Weit ausgespannt, Sand, gleiche Farbe.

Und da ergeht das Wort des Herrn an dich, in deiner Einsamkeit. Einsamkeit und Wüste ist dasselbe. Wenn du das Wort des Herrn an dich vernehmen willst, also dein Wort hören willst, dein Dasein – Dein Sein ist ja das Wort des Herrn. Du bist ja identisch mit Ihm, also Sein Wort. Im tiefsten ist mit dem Gleichnis vom Samen, der in die Erde fällt und stirbt, um Frucht zu bringen, gemeint der Mensch. Jeder Mensch ist Wort, ist Gedanke Gottes. Und dieses Wort fällt in die Erde. Aber die Erde ist Gott, die gepflügte Erde Christus, der Zermalmte, Geschlagene, Zerschundene und Zerfurchte, der Sich öffnet, weit auftut als blutende Wunde, damit der Mensch, der Same, das Gotteswort hineinfallen kann, um Frucht zu bringen für und für. Der Mensch ist Wort Gottes. Aber das, was er selber ist, vernimmt er, wenn er sich fallenläßt in die gute Erde, in Christus.

Und dieses Sich-Fallenlassen in die gute Erde geschieht eben in der Einsamkeit. Ob es eine Zelle ist zwischen vier kahlen Wänden, oder wo es auch sein mag: dort erfährst du dich als Sein Wort und weißt: „Ich bin Wort des Herrn und habe eine Sendung.“ Aber das, was ich bin, muß ich hören von dem, der in meine Stille hineinspricht. Denn ich bin nicht allein – im üblichen Sinne des Wortes – Er ist immer dabei. Je einsamer ich bin, um so weniger bin ich es im Grunde; denn da ist der Andere am Zug, der Eine und Einzige, der meine Einsamkeit durchbricht, der mich wahrhaft Verstehende, der durch alle Krusten und Schalen, Verstellungen und Verfälschungen Hindurchschauende, Hindurchschreitende, Hindurchbrechende, der in meine Innenmitte hineinstößt, um sie herauszuwecken aus den Verwicklungen der Zufälle. Damit ich ganz zu mir selbst komme, muß Er kommen; denn Er ist mein wahres ICH. Und dort, wo ich ganz ICH bin, dort mündet mein Dasein ins ewige Sein, in den Gedanken, den Gott von mir denkt, dort wo Gott mich ausspricht und meine Bestimmung sagt.

Das ist heute so selten geworden, so unsagbar selten, so bedrohlich, so schicksalhaft selten. Diese Seltenheit hängt über uns wie ein Damoklesschwert, zum Mord bereit und zur Zerstörung. Denn diese Seltenheit ist Satans Waffe Ganz sehen geschieht es, daß einer zu sich selber kommt, damit das Wort des Herrn an ihn ergeht in der Wüste.

Wüste kann auch anders verstanden werden, in einem ganz negativen Sinne: im Sinne von Zerstörung, im Sinne von Einebnung und Gleichmacherei. Wüste im negativen Sinne des Wortes, im Sinne von Verwüstung ist dort gegeben, wo der einzelne nicht mehr er selber ist, sondern ein X oder ein Y, selber ein Zufall, irgendeiner unter anderen, neben anderen, mit anderen, wie andere behandelt wird, alle sind gleich. Dort ist Wüste im Sinne von Verwüstung. Die freilich wuchert. Die breitet sich aus. „Die Wüste wächst“, sagt Nietzsche. „Wehe dem, der Wüsten birgt.“ Das ist die böse Wüste. „Wehe dem, der Wüsten birgt“ – der in sich selber die Verwüstung und die Einebnung, die Planierung duldet und als angenehm empfindet, irgendeiner unter anderen zu sein, mit anderen. „Ich will kein Besonderer, kein Einmaliger sein, sondern ich will einer neben anderen sein“, wie es in dem Nazilied heißt: „Einer steht dem anderen bei – neben.“ – Das ist sehr anspruchslos.

Die Anspruchslosigkeit ans eigene Dasein, die Anspruchslosigkeit an die eigene Unverwechselbarkeit, die Anspruchslosigkeit, was die Bedeutung, Wert und Sinn des eigenen Lebens angeht, die breitet sich aus. Es herrscht ein dumpfer, tierischer Anspruch an das, was diese Welt an Genüssen bietet. So sackt der Mensch ab ins Zufällige, ins Vielerlei. Da ist sehr viel Abwechslung. Da ist geradezu eine Abwechslungssucht. Sie findet ihren extremen symbolischen Ausdruck in dem flimmernden, wechselnden Licht – beispielsweise in Diskotheken. Selbst wenn das Licht das gleiche bleibt, kann es schon weithin nicht mehr ertragen werden. Ununterbrochen muß Wechsel geschehen. Aber dieser Wechsel, dieses Varieté, diese Summe von sich ablösenden Zufällen bestätigt nicht etwa die Besonderheit, sondern wirkt das Einerlei.

Genauso wie die zufälligen Erscheinungen immer beschleunigter hervortreten, wie sie in geometrischer Reihe sich türmen und aufstülpen und aufdrängen, Zufall um Zufall. Und jeder einzelne Zufall gleicht dem anderen, wie ein Ei dem anderen gleicht. Nur das ganz Äußerliche, Nichtssagende steht im Zeichen des Wechsels. Je mehr die Bilder einander ablösen und auf ihn einstürmen, um so entleerter wird der einzelne, um so mehr wird er zum Serienfabrikat, zum Verbraucher. Aber der Mensch, der ein Verbraucher ist, angelockt von äußeren Angeboten, voller Anspruch an äußere Angebote, der Verbrauchermensch wird selbst zur Verbrauchermarke, zur Ware. Er wird selber verbraucht. Der Verbrauchende läßt sich verbrauchen. Das ist das Kennzeichen des heutigen Menschen dieser Gesellschaft mitten im Schwall von Krebswucherungen. Und diese Gesellschaft ist selber eine einzige Krebswucherung.

Und wer aus diesem Vielerlei, aus diesem sinnlos girrenden und flirrenden, süchtigmachenden Anspruch, faden, dumpfen Anspruch weckenden Vielerlei der Sucht herausstrebt und in die gute Wüste geht, in seine Wüste, in seine Einsamkeit, der Ablenkung entronnen, der wird wesentlich und vernimmt das Wort des Herrn in der Wüste.

Und dann kommt das Wort von der „Bußtaufe, zur Vergebung der Sünden“. Taufe, die der hl. Johannes der Täufer vollzieht, ist nichts anderes als das Zeichen, daß der Mensch einsieht: „Ich bedarf des Herrn zur Vergebung meiner Sünden.“ Bußtaufe zur Vergebung der Sünden, wie Johannes sie vornimmt, heißt nicht etwa: „Jetzt fang an, und hör auf mit deinen Sünden! Jetzt recke dich auf, und setze dich in Marsch hin zum Herrn!“, sondern genau das Gegenteil: „Sieh ein, daß du nichts vermagst. Tue Buße, kehre um, und laß Ihn kommen! Bereite nicht deinen Weg, sondern Seinen Weg.“

Einzusehen, daß es Sein Weg ist, daß Er kommen muß: das ist die Umkehr, die der hl. Johannes verlangt. „Kehre um vom Wahn, du könntest vor Gott bestehen! Wende dich ab von der Illusion, es läge an deinen Werken, zurechtzukommen und zu bestehen im Gericht! Sieh endlich ein, daß du nichts vermagst, daß du ein Nichts bist! Öffne dich! Gewinne die Armut des Geistes und sag das bräutliche Wort, das erlösende Wort: „Komm! Herr, komm!“, eben das adventliche Wort. Bekehre dich zu deinem Advent!“ Und dein Advent heißt Erwartung. Und der Ankommende ist Er – nicht wie es heute heißt: Das pilgernde Gottesvolk hin zur Wahrheit. Das ist das Antichristliche. Das Christliche heißt: Ihn erwarten. Er muß kommen.

Das heißt „Seinen Weg bereiten“. Und auch dies geschieht eben, wenn der einzelne den Zufällen entflieht und hineingeht in jene Freiheit, die Gott Raum läßt, damit Er zu Wort kommt: „Herr, sprich Dein Wort! Ich will Dich zu Wort kommen und ich will Dich kommen lassen. Sei Du es! Mach Du es! Übernimm Du mich! Gewinn Du Herrschaft über mein ganzes Dasein! Erobere mich! Brich ein! Reiß mich an Dich und in Dich hinein! Sei Du der, der nach mir greift! Hier bin ich. Ich bin bereit. Herr, komm! Du mußt kommen, wenn anders ich nicht zugrunde gehen soll. Komm aus Deiner Freiheit!“ Und Er kommt, nicht weil wir rufen und schreien „Komm!“, sondern weil Er kommen will. Aber wer den Ruf „Komm, Herr!“ aus seinem Innersten herausgestoßen hat, der wird Ihn empfangen. Gott kommt nicht, weil Er weiß, daß Er empfangen wird. Er kommt, weil Er kommen will. Aber Er wird von dem empfangen, der will, daß Er kommt.

Und dieses adventliche „Komm!“, eben jene Bußtat, jene Umwendung: „Halt ein! Hör endlich auf zu gehen!“, wenn du dich in Marsch setzt von Ihm weg, „Bleib stehen, um Seine Nähe zu erfahren! Herr, komm!“, und diese Bußtat des Restes im Menschen, der da schreit „Komm!“, diese Geistestat des „Komm, o Herr!“ vollendet sich in Maria.

„Ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach Deinem Wort!“ Das ist der adventliche Aufruf, der an jeden Einzelnen ergeht: „Bekehre dich endlich zu dir selber, denn der Herr will zu dir selber kommen!“ Laß Ihn kommen. Und wenn du Ihn kommen läßt, findest du dich in Ihm und in Seinem Wort den Sinn deines Daseins und deines Seins. Und du selbst wirst dann ein Wort, das wiegt, hineingesprochen in die Verwüstung unserer Tage, in die Vielfalt der Wörter. In die Milliarden Überflüssigkeiten hinein kommt plötzlich ein Gewicht. Wenn auch nur einer sich erhebt und dann mit dem Gewicht Gottes auftritt und aufsteht, vielleicht im Verborgenen, dann werden Katastrophen abgewendet; und ganze Völker werden gerettet, wenn irgendwo einzelne Gewicht gewinnen. Wie wär“s, wenn du zu den ganz wenigen Einzelnen dich zählen könntest, auf die Gott zählen kann, weil Er bei ihnen zu landen vermag.

Pfarrer Hans Milch