Monogamie

Ich habe mich nie mit dem verbreiteten Gemurre gegen die Monogamie anfreunden können, das die neue Generation anstimmt, weil ich finde, daß keine Einschränkung der sexuellen Freiheit an Unfaßlichkeit und Unerhörtheit die Sexualität selbst übertreffen kann. Wie Endymion die Mondgöttin lieben zu dürfen und sich dann zu beschweren, daß Jupiter sich einen Harem von Mondgöttinnen hält, erscheint mir (der ich mit Märchen wie dem von Endymion aufgewachsen bin) als vulgäre Entgleisung.

Sich auf eine Frau zu beschränken ist ein geringer Preis dafür, daß man überhaupt von einer Frau gewürdigt wird. Sich zu beklagen, daß man nur einmal heiraten kann, ist so, als beklagte man sich, daß man nur einmal geboren wird. Diese Haltung stand in völligem Widerspruch zu der ungeheuren Erregung, um die es dabei ging. Sie bewies nicht etwa besondere Aufgeschlossenheit für die Sexualität, sondern im Gegenteil eine merkwürdige Unempfänglichkeit für sie.

Nur ein Narr bedauert, daß er den Garten Eden nicht durch fünf Tore gleichzeitig betreten kann. Polygamie ist ein Mangel an Fähigkeit, das Potential der Sexualität zu realisieren; sie erinnert an einen Menschen, der eine Birne essen will und geistesabwesend fünf abpflückt.

Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt IV. DIE ETHIK DES ELFENLANDES