Kleiner Kosmos

Nehmen wir den ziemlich viel sagenden Fall des Materialismus. Als Welterklärung ist der Materialismus von einer irrsinnigen Schlichtheit. Er ist von haargenau derselben Art wie die Argumentation eines Verrückten; er vermittelt gleichzeitig den Eindruck, alles einzubegreifen und nichts zu erfassen.

Schauen wir uns einen kompetenten und ehrlichen Materialisten wie Mr. McCabe[1] an, so lässt er uns genau mit diesem eigentümlichen Gefühl zurück. Er begreift alles, und was er begreift, scheint das Begreifen gar nicht zu lohnen. Sein Kosmos mag bis zum letzten Nietnagel und Zahnrädchen vollständig sein, und doch ist er kleiner als unsere Welt.

Wie der luzide Aufriss des Verrückten scheint auch sein Entwurf von den fremdartigen Kräften und der großen Unbekümmertheit unseres Planeten nichts zu wissen; er weiß nichts von den wirklichen Dingen auf Erden, den kämpfenden Völkern oder stolzen Müttern, der ersten Liebe oder der Todesangst auf dem offenen Meer. Die Erde ist so ungeheuer groß und der Kosmos so außerordentlich klein. Der Kosmos ist so ziemlich das kleinste Loch, in dem ein Mensch seinen Kopf verstecken kann.

Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt II: Der Besessene


[1] Joseph M. McCabe (1867-1955), ein Franziskanermönch, der seinem Glauben abschwor und sein Leben der Aufgabe widmete, im Namen der Vernunft die christliche Religion zu bekämpfen. Chestertons Auseinandersetzung mit McCabe findet sich in Ketzer (Die Andere Bibliothek, Nr.165, Frankfurt a. M. 1998, S.207-221) das, wie er einleitend berichtet, durch die Kritik, die es hervorrief, zum Anlaß für das vorliegende Buch wurde.