Was denken Atheisten über Zölibat

Exkurs: Was denken Atheisten über „Beweis“ und Zölibat

Gertrude Himmelfarb,  Zeitung „Die Welt“ vom 12.10.92:

„Nietzsche als größter Kirchengegner sieht – übrigens wie die Kirche – einen engen Zusammenhang zwischen Beweis-Wissen-begründetem Glauben und asketischem Priester. In seinem Kampf gegen Gott bestätigt somit auch er die Lehre der Kirche, dass nur dort ein begründeter Glaube möglich ist, wo man Gott und seine Aussagen nachweislich kennt.“(3)

 

Auf diesem Wissen kann sich dann erst ein Vertrauen auf Gott= ein Glauben an Gott entfalten. D.h. ohne Beweis kein Wissen – ohne Wissen kein begründeter Glaube  – ohne Glauben kein »asketischer Priester«.

Nietzsche sagte dazu:

„Wollen wir aber die Kirche, d.h. »die wahre Welt«, abschaffen, so müssen wir logischerweise nur das 1. Glied dieser Kette: das »Beweisen« abschaffen (= Nihilismus)“

Nietzsche:

„Sträubt euch gegen die Wahrheit, solange ihr nur könnt, aus Ekel vor dem, der ihr Fürsprecher ist. Ich werde euer Verführer und Betrüger sein“ (4)

Damit die »Abschaffung des Beweises« vom Einzelnen unbewusst mit vollzogen wird, müsse diese in 6 Stufen erfolgen. „Durch die »Abschaffung« der »Wahrheit geht – daran ist kein Zweifel – die Moral zugrunde: jenes große Schauspiel in hundert Akten, das den nächsten zwei Jahrhunderten Europas aufgespart bleibt, das furchtbarste, fragwürdigste .. Schauspiel « „.(5)

Nietzsche folgert weiter:

„So wie das Volk weiß, dass ohne begründeten Glauben kein Zölibat möglich ist, so ist umgekehrt der Zölibat der lebende Beweis eines begründeten Glaubens für das Volk.“

Und Nietzsche fordert deshalb, diesen für das Volk wichtigsten Beweis ebenfalls abzuschaffen, denn:

„Was bedeuten asketische Ideale? Bei Priestern den eigentlichen Priesterglauben, ihr bestes Werkzeug der Macht, auch die allerhöchste Erlaubnis zur Macht: Aller Geist wird endlich leiblich sichtbar. In diesem Geiste und sehr oft  mit der tiefsten Überzeugung und Ehrlichkeit der Hingabe hat es (das Christentum) vielleicht die feinsten Gestalten der menschlichen Gesellschaft ausgemeißelt, die es bisher gegeben hat: die Gestalten der höheren und höchsten katholischen Geistlichkeit..“

„Hier erreicht das menschliche Antlitz jene Durchgeistigung,.. nachdem eine ausgedachte Lebensweise das Tier im Mensch gebändigt hat (Zölibat); hier hält eine Tätigkeit, die im Segnen, Sündenvergeben und Repräsentieren der Gottheit besteht, fortwährend das Gefühl einer übermenschlichen Mission in der Seele, ja auch im Leibe wach…“

„Die mächtige Schönheit und Feinheit der Kirchenfürsten hat immerdar für das Volk die Wahrheit der Kirche bewiesen; eine zeitweilige Brutalisierung der Geistlichkeit wie  zu Zeilen Luthers führt immer den Glauben an das Gegenteil mit sich. Luther gab dem Priester den Geschlechtsverkehr mit dem Weibe zurück; aber dreiviertel der Ehrfurcht ruht auf dem Glauben, dass ein Ausnahmemensch in diesem Punkte auch in anderen Punkten eine Ausnahme sein wird. Hier gerade hat der Volksglaube an etwas Übermenschliches im Menschen, an das Wunder, an den erlösenden Gott im Menschen, seinen feinsten und verfänglichsten Anwalt.

„Luther musste dem Priester, nachdem er ihm das Weib gegeben hatte, die Ohrenbeichte nehmen, das war  psychologisch richtig: aber damit war im Grunde der christliche Priester selbst abgeschafft.“(6)

Karl Marx trifft die gleiche Analyse:

„Luther hat den Glauben in die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat.“ (MEW, S.386)

Johannes Paul II.  sieht Tendenzen für diese »Abschaffung« des kath. Priesters  (Osservatore Romano 8.11.91):

„Es ist bekannt, dass in manchen Milieus in der Zeit nach dem Konzil das Bewusstsein von der wahren priesterlichen Identität sich getrübt hat. Es kam zu der Tendenz, die priesterlichen Funktionen zu laisieren«, gleichlaufend mit der Tendenz, die Gestalt des
Laien zu »klerikalisieren«

Papst Benedikt XVI. hat das Jahr 2009 als „Jahr des Priesters“ gewidmet um die Bedeutung des Priestertums in der katholischen Kirche wieder zu beleben.

 


[3]: Gertrude Himmelfarb,  Zeitung „Die Welt“ vom 12.10.92

[4]: F. Nietzsche: Menschliches· Allzumenschliches

[5]: F. Nietzsche: Aph. 27  Genealogie der Moral

[6]: F. Nietzsche: Morgenröte

2 Gedanken zu „Was denken Atheisten über Zölibat“

  1. Den meisten Atheisten dürfte es ziemlich gleichgültig sein, ob Priester verheiratet sind, oder ledig. Vielleicht ringt sich einer noch zu der Überlegung durch, warum denn katholische Priester keine Ehefrau haben dürfen. Einer kam dann zur Erkenntnis, dass Ehefrauen mehr oder weniger Einfluss auf ihre Ehemänner haben und dass die katholische Hierarchie die Macht über die Priester nicht mit einer Ehefrau teilen will.
    Man stelle sich vor, dass dieser Priester am Sonntagvormittag eine donnernde Predigt gegen die „Verhütungsmentalität“ auf seine Herde niedergehen lässt und ihn seine Ehefrau dann Sonntagnacht vor die Wahl stellt ab sofort ein Kondom zu benutzen oder eine Josefsehe zu führen. Er wird auf jede Art sexueller Betätigung verzichten; aber was macht diese erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit mit ihm? Macht sie ihn milder? Einsichtiger? Wir werden es sehen.

  2. Solche Gedanken wie sie „Gast“ beschreibt, drängen sich tatsächlich einem Menschen auf, der die katholische Religion nicht oder nur wenig kennt. Einem „moderneren Menschen,“ der von den Messenmedien geprägt Sexualität als das zentrale Bewegungs- und Daseinsmotivation ansieht.
    Tatsächlich ist der Priesterberuf aber etwas ganz anderes als jeder andere Beruf – er ist buchstäblich eine Berufung, also nicht etwas, das von dem jungen Mann ausgeht, der sich überlegt, ob er Priester werden will oder nicht. Nein er ist ein „von Gott Berufener“ und folgt lediglich dem Ruf Gottes.
    Daher ist auch der Priester gänzlich auf Christus und an den Dienst in seiner Kirche ausgerichtet, er ist mit dieser Berufung vollkommen ausgefüllt, so dass da kein Platz mehr ist für eine Frau oder Familie.
    Dieses Ideal ist tatsächlich auch ein urchristliches Ideal, das bereits in den Evangelien genannt wird und der HL. Paulus in seinen Briefen beschreibt. Und ich persönlich bin froh darüber, dass die Kirche dieses Ideal des Zölibates nicht aufgibt (obwohl sie es könnte), sondern weiterlebt, und dadurch Christus in der Welt sichtbar macht.

    Das Geniale an der Kirche ist aber auch, dass sie auch die Liebe zwischen Mann und Frau und die Familie ebenso als ein hohes Ideal darstellt (das Sakrament der Ehe). Also beide Berufungen auf eine sakrale Stufe stellt.
    Man könnte auch darin in der Kirche etwas Übernatürliches entdecken, dass Sie in dieser Anti- Beziehung , also zwei Gegenpole! – sich nicht für das Eine oder Andere entscheidet, sondern Beide in ihrer Reinform idealisiert, und Mischformen als Sünde verurteilt.

    Wer kann noch weitere solcher existierender Gegenpole in der Kirche nennen?

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