Autor: michael
Monogamie
Ich habe mich nie mit dem verbreiteten Gemurre gegen die Monogamie anfreunden können, das die neue Generation anstimmt, weil ich finde, daß keine Einschränkung der sexuellen Freiheit an Unfaßlichkeit und Unerhörtheit die Sexualität selbst übertreffen kann. Wie Endymion die Mondgöttin lieben zu dürfen und sich dann zu beschweren, daß Jupiter sich einen Harem von Mondgöttinnen hält, erscheint mir (der ich mit Märchen wie dem von Endymion aufgewachsen bin) als vulgäre Entgleisung.
Sich auf eine Frau zu beschränken ist ein geringer Preis dafür, daß man überhaupt von einer Frau gewürdigt wird. Sich zu beklagen, daß man nur einmal heiraten kann, ist so, als beklagte man sich, daß man nur einmal geboren wird. Diese Haltung stand in völligem Widerspruch zu der ungeheuren Erregung, um die es dabei ging. Sie bewies nicht etwa besondere Aufgeschlossenheit für die Sexualität, sondern im Gegenteil eine merkwürdige Unempfänglichkeit für sie.
Nur ein Narr bedauert, daß er den Garten Eden nicht durch fünf Tore gleichzeitig betreten kann. Polygamie ist ein Mangel an Fähigkeit, das Potential der Sexualität zu realisieren; sie erinnert an einen Menschen, der eine Birne essen will und geistesabwesend fünf abpflückt.
Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt IV. DIE ETHIK DES ELFENLANDESKleiner Kosmos
Nehmen wir den ziemlich viel sagenden Fall des Materialismus. Als Welterklärung ist der Materialismus von einer irrsinnigen Schlichtheit. Er ist von haargenau derselben Art wie die Argumentation eines Verrückten; er vermittelt gleichzeitig den Eindruck, alles einzubegreifen und nichts zu erfassen.
Schauen wir uns einen kompetenten und ehrlichen Materialisten wie Mr. McCabe[1] an, so lässt er uns genau mit diesem eigentümlichen Gefühl zurück. Er begreift alles, und was er begreift, scheint das Begreifen gar nicht zu lohnen. Sein Kosmos mag bis zum letzten Nietnagel und Zahnrädchen vollständig sein, und doch ist er kleiner als unsere Welt.
Wie der luzide Aufriss des Verrückten scheint auch sein Entwurf von den fremdartigen Kräften und der großen Unbekümmertheit unseres Planeten nichts zu wissen; er weiß nichts von den wirklichen Dingen auf Erden, den kämpfenden Völkern oder stolzen Müttern, der ersten Liebe oder der Todesangst auf dem offenen Meer. Die Erde ist so ungeheuer groß und der Kosmos so außerordentlich klein. Der Kosmos ist so ziemlich das kleinste Loch, in dem ein Mensch seinen Kopf verstecken kann.
Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt II: Der Besessene
[1] Joseph M. McCabe (1867-1955), ein Franziskanermönch, der seinem Glauben abschwor und sein Leben der Aufgabe widmete, im Namen der Vernunft die christliche Religion zu bekämpfen. Chestertons Auseinandersetzung mit McCabe findet sich in Ketzer (Die Andere Bibliothek, Nr.165, Frankfurt a. M. 1998, S.207-221) das, wie er einleitend berichtet, durch die Kritik, die es hervorrief, zum Anlaß für das vorliegende Buch wurde.
Künstler und Kritiker
Kritiker neigen weit mehr zum Wahnsinn als Dichter. Homer ist aus einem Guß und die Ruhe selbst; seine Kritiker sind es, die aus ihm ein ungereimtes Stückwerk machen.
Shakespeare ist ganz er selbst; nur ein paar seiner Kritiker haben entdeckt, daß er ein anderer war.
Und obwohl der Evangelist Johannes in seinen Visionen viele seltsame Ungeheuer erblickte, sah er doch kein Geschöpf, das so irrsinnig war wie manch einer seiner Kommentatoren.
Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt II: Der BesesseneDer Ernst
Der Ernst gehört nicht zu den Tugenden. Dass er ein Laster ist, wäre ein ketzerischer Gedanke, aber einer, der sehr viel mehr einleuchtet. Ernst sein ist ein natürlicher Hang, ein Abrutschen in die Gewohnheit, sich selbst ernst zu nehmen, da uns das am leichtesten fällt. Ein guter Leitartikel in der Times ist leichter zu schreiben als ein guter Witz im Punch. Denn gesetzt sind die Menschen von Natur aus; Lachen hingegen erfordert einen Sprung.
Quelle: G.K. Chesterton: Orthodoxie, Abschnitt VII: Die ewige Revolution
Gotische Wasserspeier
Als Christus hörte, wie sich etliche Pharisäer (dieselben, die sich heute über die mechanischen Orgeln ereifern) in Jerusalem über den lauthals betenden Haufen der Jünger ereiferten, prophezeite er die gesamte gotische Architektur.
Er sprach: „Wo diese werden schweigen, so werden die Steine schreien.“ In diesem Seinem Geist entstanden wie lärmende Chöre die Fassaden der mittelalterlichen Dome, an denen es von laut rufenden Gesichtern und offenen Mündern nur so wimmelt.
Damit hat sich die Prophezeiung erfüllt: Die Steine schreien.
Quelle: G.K. Chesterton: OrthodoxieEine Frage der Barmherzigkeit?
Das würde mich mal interessieren wie das mit der Barmherzigkeit gemeint ist. So spontan fällt mir ein: dass vielleicht jeder Katholik einen „Freischuss“ bekommt, oder zwei oder drei ? Oder eine „Es ist nichts passiert!“ – Versicherung, die bei der Eheschließung gleich mit vereinbart werden kann? – Vielleicht einen Bonus für Prominente oder Staatsmänner, da er ja unseren Bundespräsidenten als unter der kath. Knute leidend märtyrisiert.
Alles absurd: Wie kann denn die Kirche eine Wiederverheiratung angesichts der direkten Entscheidung Jesu Christi (vergl. Lk 16,18) erlauben. Oder wäre es nicht absurd vor dem Traualtar eine Vertragsklausel zu akzeptieren, die die einseitige willkürliche Endlichkeit der Liebe besiegelt – Das wäre nicht die volle wahre Liebe, die sich Eheleute einander versprechen, sondern eine erbärmliche seichte Farce! Und dann noch die Sache mit den Prominenten; das gab es schon immer. Hierbei sollte der Vorsitzende mal nachlesen, dass es wie im Beispiel Heinrich VIII von England nicht bei der Zweiten blieb (Es waren 6!).
Des weiteren fühle ich mich als Christ beleidigt, wenn man mir das Parteiprogramm der Grünen nahelegt: “ Die Grünen“, so wird der Vorsitzende zitiert, “ seien eine Partei, in der viele Christen sich beheimatet fühlen“.
Meint er etwa die „Grünen“ die unter anderem
- die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe einschließlich Adoptionsrecht fordern
- für die Gleichbehandlung jedweder „sexuellen Identität“, für die Beibehaltung und Ausweitung des momentan gültigen Abtreibungsparagraphen kämpfen
- für die Krippenbetreuung von Kleinstkindern und damit die weitgehende Abschaffung der traditionellen Familie im Sinne einer totalitären sozialistischen Gesellschaft wollen
Jeder, der sich hierin beheimatet fühlt, sollte sich mal über seinen Glauben Gedanken machen und diesen kritisch mit dem Katechismus vergleichen (und nicht anders herum).